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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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haben bis über beide Ohren zu tun, seit immer mehr Wachstuben zusperren müssen. Solange es nicht den geringsten Zweifel daran gibt, daß der Tod von Albert Hahn ein Gärgasunfall war, wie er im Buche steht, ist deine diesbezügliche Neugier leider Privatsache.«
    »In Ordnung.« Polt schaute forschend in das Gesicht seines Vorgesetzten. Er war nicht allzusehr überrascht, darin ein angedeutetes verschwörerisches Lächeln zu finden, dem auch gleich die passende Ermahnung folgte: »Und vergiß nicht, mein lieber Herr Gruppeninspektor, daß du auch privat und im Weinkeller deinem Beruf verpflichtet bleibst.«
    Polt neigte anerkennend das Haupt, denn dermaßen gut ausbalancierte Formulierungen gehörten an sich nicht zu den Stärken seines Dienststellenleiters. Vermutlich hatte der besonders gut geschlafen, oder seine herbfrische Angetraute hatte ihm beim Frühstück eröffnet, daß sie vorhabe, sich drei Wochen Kur zu gönnen.
    So kam es, daß Polt, als er am frühen Nachmittag Friedrich Kurzbacher vor dem Tor seines Hauses in Brunndorf stehen sah, sein Dienstfahrzeug abbremste.
    Er öffnete das Seitenfenster, grüßte Friedrich und fragte ihn, ob er denn nicht vielleicht zufällig gegen Abend im Keller anzutreffen sei. »Kann gut sein«, sagte Kurzbacher. Damit war einer jener Termine vereinbart, vor denen dickleibige Zeitplaner wie der, mit dem zum Beispiel Florian Swoboda seine Unentbehrlichkeit dokumentierte, kapitulieren mußten.
    Nach Dienstschluß bestieg also Polt sein sorgsam gepflegtes schwarzes Waffenrad und trat ohne Hast in die Pedale, bis er die Kellergasse von Brunndorf erreicht hatte. Eigentlich waren es drei Kellergassen: Die eine schmiegte sich langgestreckt an den Abhang des dicht bewaldeten Grünberges, und zwei weitere, kürzere Reihen von Preßhäusern zweigten im rechten Winkel ab und strebten zum Waldrand hin bergwärts. In diesen kleineren Kellergassen standen die Preßhäuser nicht dicht aneinandergereiht, sondern jedes für sich, wie zufällig ins Grün gestreut; eines davon gehörte dem Kurzbacher. Befriedigt sah Polt dessen uralten olivgrünen Opel vor der Tür, die halb geöffnet war.
    Der Gendarm trat ein, sah auch die Kellertür offenstehen und ging an der surrenden Dunstwinde vorbei nach unten. Verglichen mit der sanften Wärme des späten Herbsttages war es sehr kühl hier. Im Winter, das wußte Polt aus eigener lustvoller Erfahrung, wurde ebendiese Temperatur als durchaus behaglich empfunden: Man konnte, auf dicken Styroporblöcken sitzend, wohlig warmen Hinterteils in sich selbst ruhen, den frischen Wein verkosten oder auch in ausführlichen Gesprächen Töchter verheiraten, Bürgermeister wählen oder mit Grundstücken handeln. Doch der Winter war noch ein paar Wochen entfernt. Noch war Herbst, Erntezeit. Ein schwerer, sinnlicher Geruch lag in der Kellerluft: Erde, nasses Holz, gärender Most, Süße, die sich in Alkohol wandelte. Ergriffen ob dieses unheiligen Wunders schaute Polt dem Kurzbacher vorerst schweigend zu, wie er mit dem Weinheber trübe, schäumende Flüssigkeit aus einem großen Faß sog, das fast die ganze Kellerwölbung ausfüllte.
    Erst jetzt bemerkte der Weinhauer seinen Gast, grüßte und stieg auf einer kleinen Eisenleiter zu Boden. »Er wird schon recht, soviel man halt jetzt schon weiß«, sagte er zufrieden, als er gekostet hatte. »Was meinst du?«
    Simon Polt nahm das Glas und tat einen andächtigen Schluck, der nach ungezügelter Wildheit schmeckte, mit einer flüchtigen Ahnung von Süße. »Mein Gott«, sagte er innig, »der wäre einen Sündenfall wert!«
    »Den kannst du haben!« lachte Friedrich und wollte schon wieder auf das Faß klettern, als ihn der Gendarm schüchtern zurückhielt. »Ich muß dich erst was fragen: Kannst du dir denken, wie das Gärgas in den Keller von Albert Hahn gekommen ist?«
    Der alte Weinhauer schaute ihm durch funkelnde Brillengläser ins Gesicht. Irgendwie wirkte er auf Simon Polt wie ein Volksschüler, der stolz darauf war, daß er etwas wußte und aufzeigte. »Komm einmal mit!«
    Friedrich ging tiefer in den Keller. Dort, wo die elektrische Beleuchtung aufhörte, zündete er zwei Kerzen an und drückte eine davon seinem Besucher in die Hand. Nun betraten die Männer eine Kellerröhre, die vom großen Gewölbe abzweigte und nach links führte - in die Richtung von Albert Hahns Preßhaus. Die Röhre schloß mit einer glatten Wand aus fest gepreßtem Löß ab. Kurzbacher wies auf ein kreisrundes Loch, etwa so groß wie
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