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Polaris

Polaris

Titel: Polaris
Autoren: Jack McDevitt
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eine Möglichkeit, dauerhafte Jugend zu erringen und gleichzeitig die Menschen zu überzeugen, auf Kinder zu verzichten.
    Das würde nie geschehen.
    »Sie müssen sich keine Sorgen machen«, sagte Alex. »Wir werden Ihr Geheimnis bewahren.«
    Man konnte die ganze Runde erleichtert aufatmen hören. Und ich muss zugeben, dass ich in diesem Moment keine Ahnung hatte, welche Vorgehensweise die richtige sein könnte. Aber ich war wütend: auf Alex, auf Klassner, auf jeden von ihnen. Sie machten Anstalten, sich zu erheben. Lächeln breitete sich auf ihren Gesichtern aus. »Eine Sekunde«, sagte ich, und als ich ihre Aufmerksamkeit hatte: »Alex spricht nicht für mich.«

 
ACHTUNDZWANZIG
     
     
Wie Wellen an des Ufers Kieseln bersten,
So eilen unsre Stunden an ihr Ziel.
    William Shakespeare
     
    Ich saß da und dachte darüber nach, wie Dunningers Vermächtnis sie verändert hatte. Perspektiven. Identifikationen. Das Gefühl für Verhältnismäßigkeit. Wie ist das, sich keine Sorgen um das Alterwerden machen zu müssen? Andere Menschen als Eintagsgeschöpfe zu betrachten?
    Es hatte angefangen zu schneien. Große, feuchte Flocken. Kein Lüftchen wehte, und sie fielen senkrecht herab. Ich wünschte, es gäbe einen Schneesturm, verheerend genug, all die Probleme unter sich zu begraben.
    Alle Augen ruhten auf mir, und Klassner entschuldigte sich mit ruhiger, rationaler Stimme dafür, dass man mich übersehen habe. »Aber gewiss können auch Sie, Chase, erkennen, dass es weise wäre, diese Sache nicht weiterzutreiben.«
    Es fiel mir schwer zu begreifen, dass ich tatsächlich mit Martin Klassner sprach, dem kosmologischen Giganten des vergangenen Jahrhunderts, neu belebt, irgendwie ins Leben zurückgeholt und dazu noch hier in unserem Wohnzimmer. Nicht nur, weil dieser Umstand biologisch so unwahrscheinlich schien, sondern auch, weil ich Schwierigkeiten mit der Vorstellung hatte, dass so ein Mann tatsächlich von Maddy gewusst und keine Möglichkeit gefunden hatte, sie zu heilen. Oder zumindest unschädlich zu machen.
    »Davon bin ich noch nicht überzeugt«, sagte ich. »Wenn jemand weiß, wie es ist, alt zu sein, dann sind das Sie, Martin. Zu sehen, wie die Jahre vorüberziehen; die ersten Schmerzen in den Gelenken und Bändern zu spüren. Zu sehen, wie sich die Konturen der Welt da draußen auflösen. Es steht in Ihrer Macht, vorzutreten und die Leute davor zu bewahren, von ihren eigenen Körper verraten zu werden. Und Sie haben nichts getan. Sechzig Jahre lang haben Sie keinen Finger gerührt.«
    Er setzte zu einer Entgegnung an, aber ich fiel ihm ins Wort. »Ich kenne Ihre Argumentation. Ich weiß, was Überbevölkerung bedeutet. Hätte ich es nicht schon früher erkannt, dann hätte ich es bestimmt während der letzten paar Wochen begriffen. Und folglich stehen wir vor einem ethischen Dilemma.
    Sie haben Tom Dunningers Vermächtnis zurückgehalten. Nein, sagen Sie jetzt nichts. Sie und Ihre Freunde wären ethisch in einer weitaus besseren Position, hätten Sie selbst die Gelegenheit nicht gleich beim Schopf ergriffen.«
    »Das ist kein Grund«, grollte Urquhart, »alles zu zerstören, was wir erreicht haben. Nur, weil wir der Versuchung nicht haben widerstehen können. Unser Versagen spricht sogar umso mehr für unsere Überzeugung.«
    »Sie haben Recht. Die Angelegenheit ist zu ernst. Alex hat gesagt, er wird Ihr Geheimnis bewahren. Aber ich nicht. Ich finde keinen überzeugenden Grund, um Sie zu schützen.«
    »Dann«, sagte Klassner, »strafen Sie jeden Menschen.«
    »Sie neigen zur Übertreibung, Martin. Sie sind in einer Position, das Altern zu beenden. Oder auch nicht. Wie auch immer, wenn es nach Ihnen geht, müssen die Menschen sterben. In großer Zahl.
    Aber wenn wir die Behandlung allgemein verfügbar machen, können wir vielleicht lernen, damit zu leben. Wir haben die Eiszeiten überlebt. Und die Pest. Und Gott weiß wie viele Kriege. Und Tausende von Jahren voller politischer Unfähigkeit. Wir haben sogar gegen die einzige andere intelligente Spezies gekämpft, die uns je begegnet ist. Wenn wir all das überlebt haben, können wir auch dies überleben.«
    »Das können Sie nicht wissen«, sagte White. »Das ist etwas vollkommen anderes.«
    »Es ist immer etwas anderes. Wissen Sie, was Ihr Fehler ist? Ihr gemeinsamer Fehler? Sie geben viel zu leicht auf. Sie beschließen, dass es ein Problem gibt, und dann denken Sie, Sie müssten alles so hinbiegen, dass niemand sich damit befassen muss.« Ich sah mich zu
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