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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben
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Bringen eigentlich normale Leute nichts zustande?«
    »Letztlich schon. Das hier ist nur ein Auftakt, ein Probelauf, ein Prototyp. Jetzt muss er in Serie gehen.«
    »Da braucht es eine globale Strategie.«
    »Darüber unterhalten wir uns dann in Zürich wieder.«
    »Falls ich je dorthin zurückkehre.«
    Die Aussicht auf die Missionsarbeit in den Agglos lockte mich nicht gerade. Ich würde mich in Zürich verstecken müssen.
    Thomas zeigte auf einen Mann links von uns.
    »Da geht übrigens gerade Yoshi Takeda, der Bürgermeister, zurück ins Rathaus.«
    Ich sah einen schlanken Mann von asiatischem Aussehen eine elegante Flanke über ein Geländer machen. Er hatte keine Mappe dabei.
    »Und Roberto bleibt hier?«, fragte ich Thomas.
    »Meistens. Er hat nicht vor, Zürich noch einmal zu besuchen. Er bleibt offiziell tot.«
    »Keine schlechte Option.«
    »Aber nicht für mich. Ich möchte diesen neuen Verlag aufbauen. Vielleicht auch für E-Bücher. – Das dort drüben ist übrigens Anita, die Direktorin des Museums.«
    Eine afrobrasilianische Frau mittleren Alters ging mit einer Gruppe von Studenten in das Kunstmuseum.
    »Ein solches Museum ist für eine Kleinstadt schon ziemlich außergewöhnlich«, bemerkte ich.
    »Das ist Elsas Verdienst. Sie hat einen beträchtlichen Teil ihrer Kunstsammlung der Stadt geschenkt.«
    »Und die Alivianer haben wirklich so viel Kunstverstand?«, wunderte ich mich.
    »Ja, es gibt hier ein ziemlich hochstehendes kulturelles Leben. Die Stadt besteht darauf, dass alle Bewohner einen gymnasialen Abschluss haben, egal wie alt sie sind. Einige büffeln noch Latein und Differenzialrechnung, wenn sie über fünfzig sind. Da staatliche Schulen das in Brasilien nicht anbieten, sind die Schulen hier privat, sie gehören einer Lerngenossenschaft, bei der alle Stadtbewohner Mitglieder sind. Eine nachhaltige Lebensweise ist ohne ein hohes Bildungsniveau heutzutage nicht mehr möglich. Rein konsumistische Kultur verbraucht einfach zu viele Ressourcen.«
    Thomas zeigte quer über den Platz.
    »Ich frage mich, was Paul Riniker dort drüben bei der Bank filmt.«
    Ein Streit schien im Gang zu sein. Ein Mann und eine Frau warfen die Hände in die Luft. Ein Bündel Banknoten wurde auf den Boden geworfen. Die Frau stampfte darauf herum, der Mann zerrte sie weg.
    »Ist der Real abgewertet worden? Gibt es ihn überhaupt noch?«, fragte ich.
    »Wahrscheinlich ist die Szene gestellt.«
    Es wurde ruhig. Dann wurde die gleiche Szene noch einmal gespielt.
    »Da drüben geht Estermann mit Elsa ins Rathaus«, versetzte Thomas, »sicher besprechen sie etwas Kulturelles.«
    »Ich bleibe vorläufig hier«, beschloss ich, »Alívio hat das Potenzial für wirklich tiefe Langeweile.«
    »Es hat eine gute Stadtbibliothek. Auch das Schwimmbad kann ich empfehlen.«
    »Vielleicht lerne ich Portugiesisch und trete der Theatergruppe bei.«
    »Eine ausgezeichnete Idee. Ihr könntet Stücke von Max Frisch spielen, oder von Dürrenmatt…«
    »…oder selber ein Stück schreiben.«
    »Aber wo sind hier die Stoffe? Frage ich dich.«
    Thomas machte eine Handbewegung über den wirklich sehr ruhigen Platz hinweg. Die Szene vor der Bank war jetzt abgedreht. Es war nichts mehr los. Riniker und sein Team näherten sich zielstrebig dem
Voltaire
.
    »Ein Stück über einen Autor, der keinen Stoff findet und sich umbringt«, schlug ich vor.
    »Das wird ein kurzer Einakter. Niemand wird es sich anschauen wollen.«
    Die Filmcrew kam auf uns zu, schwenkte dann aber nach rechts ab, ohne uns zu beachten.
    Ich war erleichtert und nahm einen besonders tiefen Zug von meiner Zigarre.
    Thomas sagte: »Wahrscheinlich machen sie ein Interview mit dem Bürgermeister.«
    »Umso besser.«
    Der Hund unter dem Tisch räusperte sich.
    Beendet im Oktober 2010

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    Jackson, Tim,
Wohlstand ohne Wachstum
, oekom, 2011
    Nigg, Heinz,
Wir sind wenige, aber wir sind alle
, Limmat Verlag, 2008
    Han, Byung-Chul,
Müdigkeitsgesellschaft
, Matthes&Seitz, Berlin, 2010
    Banerjee, Abhijit V., Esther Duflo,
Poor Economics
, Public Affairs, 2011
    Kambalu, Samson,
The Jive Talker
, Free Press, 2008
    Graeber, David,
Debt
, 2011
    Nowak, Martin,
Supercooperators, or: Why We Need Each Other to Succeed
, Canongate, 2011
    Greene, Brian,
The Hidden Reality
, Allen Lane, 2011
    Morris, Ian,
Why the West Rules – For Now
, 2010
    Unsichtbares Komitee,
Der kommende Aufstand
, Nautilus, (2007) 2010
    Leggewie, Claus,
Mut statt Wut
, Hamburg,
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