Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare
Autoren: David Safier
Vom Netzwerk:
Bei Axel musste man auch kein schlechtes Gewissen haben, ihn nur für belanglosen Sex auszunutzen, schließlich war für ihn eine Beziehung, die länger als eine Woche hielt, schon ein Langstreckenrekord.
    Die Vorstellung begann. Eine chinesische Akrobatin betrat die Manege. Sie konnte ihren Körper so kunstvoll verdrehen, dass Axel meinte: «So eine Liebhaberin würde mir Angst einjagen.»
    Ich dachte mir, dass er bei mir deswegen nachher im Bett keine Angst haben musste, war ich doch eher unterdurchschnittlich beweglich.
    Nachdem die chinesische Akrobatin ihre Darbietung, bei deren bloßem Anblick ich schon Gelenkschmerzen bekam, beendet hatte, kündigte der Conferencier den großen Akt an: «Gleich, meine Damen und Herren, erleben Sie den unvergleichlichen, den einzigartigen, den mystischen Magier Prospero!»
    Sphärische Musik ertönte, und ein Mann betrat die Manege, der aussah wie ein Komparse aus einem Vampirfilm: Er war von großer, hagerer Gestalt, hatte dunkle, durchdringende Augen und trug schwarze Klamotten. Darüber einen wehenden schwarzen Umhang. Man konnte sich gut vorstellen, dass er in einem Sarg mit Heimaterde aus Transsylvanien schlief. In der Mitte der Manege angekommen, verkündete er mit einer mystisch klingenden Stimme: «Die Seele des Menschen ist unsterblich und wird immer wieder neu geboren.»
    «Hoffentlich nicht jedes Mal als Lehrer», alberte Axel.
    Hoffentlich nicht immer als ich, ergänzte ich in Gedanken.
    «Ich habe», fuhr Prospero fort, «die altehrwürdige Kunst der Rückführung bei den Shinyen-Mönchen in Tibet erlernt. Sie haben mir gezeigt, dass ich einst ein mächtiger Krieger beim Mongolenfürsten Ablai Khan war.»
    «Und nachher haben sie sich hinter seinem Rücken vor Lachen abgerollt», scherzte Axel weiter.
    Aber ich lachte nicht mit, dieser Mann in der Manege beeindruckte mich. Irgendetwas bewegte er in meinem Inneren, als würde er von einer tieferen Wahrheit künden.
    «Ich werde nun», erklärte Prospero mit großer Geste, «einen von Ihnen in ein früheres Leben zurückversetzen. Und dieser Zuschauer wird das ganze Potenzial seiner unsterblichen Seele entdecken und fortan nutzen können. Er wird also zu sich selber finden!»
    Das war ein ziemlich beeindruckendes Versprechen, wie ich fand.
    «Wer meldet sich freiwillig?», wollte Prospero wissen und stolzierte dabei wehenden Umhangs durch die Manege.
    «Freiwillig ist nie gut», kommentierte Axel.
    Prospero ging in das Publikum, und ich wurde plötzlich unruhig. Der würde doch nicht ausgerechnet mich in die Manege holen, oder? Ich stand nicht so darauf, im Mittelpunkt zu stehen, und hatte mit dem Zahnarztbesuch meinen Bedarf an peinlichen Auftritten für dieses Leben übererfüllt. Merkwürdigerweise verspürte ich aber noch ein viel tiefer sitzendes Gefühl: Irgendetwas rumorte in mir, hatte Angst davor, in ein früheres Leben abzutauchen. Verrückt, hatte ich doch nie zuvor über Wiedergeburt ernsthaft nachgedacht. Außerdem wusste mein Verstand doch, dass es so was wohl gar nicht gab und der Kerl, der durch die Zuschauerreihen ging, ähnlich seriös war wie ein albanischer Hütchenspieler. Oder ein Finanzproduktverkäufer.
    Ich versuchte mich zu beruhigen: Es gab so viele Zuschauer hier im Publikum, außerdem saß ich ziemlich weit oben im Rang, der Hypnotiseur würde sich garantiert für jemand anderen entscheiden. Als er dennoch zielsicher auf unseren Rang zuging, begann ich am ganzen Leib zu zittern.
     

8
    Währenddessen im Leben von William Shakespeare, London, 13. Mai 1594
     
    «William, kein Mensch will ein unglückliches Ende in einer Komödie», schimpfte Kempe mit seiner lauten Baritonstimme, als wir des Morgens durch die engen Gassen von Southwark gingen. Zwischen den windschiefen Häusern boten Händler und Händlerinnen lauthals ihre Waren feil: Gänse, Sandalen oder den eigenen Körper. Jawohl, hier in Southwark hatte das Gesetz Londons keinerlei Einfluss. Gesindel, wie Huren oder Schauspieler, konnte hier frei atmen - auch wenn das freie Atmen dank der vielen auf der Straße urinierenden Bettler nur mäßige Freude bereitete.
    Bordelle waren in Southwark ebenso erlaubt wie Theater. So hatte der Besitzer unseres , der ewig geldgeile Philip Henslowe, gleich neben dem auch ein Hurenhaus eröffnet, in das er die Theaterbesucher nach der Vorstellung lockte. Wenig verwunderlich also, dass er von mir stets verlangte, meine Stücke mit vielen Szenen wilden Liebesspiels zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher