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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare
Autoren: David Safier
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außer Jan hätte ich Sex haben wollen?
     

6
    Am nächsten Vormittag hatte ich einen unglaublichen Kater, der auch nicht gerade dadurch besser wurde, dass ich in der Schulpause die Hofaufsicht hatte. Circa zweihundert Grundschüler machten dort einen Lärm wie achthundert normale Menschen, und ich dachte mir, dass es auf einer Flughafenlandebahn sicherlich leiser wäre, selbst wenn eine Concorde crashlanden würde.
    Ich war nur aus Verlegenheit Lehrerin geworden, mein Traum war es eigentlich gewesen, Musicals zu schreiben, seitdem ich mit sieben Jahren bei gehört hatte, wie Sebastian, die Krabbe «Unter dem Meer> sang. Mit fünfzehn hatte ich dann auch tatsächlich mein erstes Musical geschrieben, es hieß < Wolfsmond > und handelte von einem jungen Mädchen, das sich in einen Werwolf verliebte und mit ihm im großen Schluss-Duett des Stückes sang: (wie gesagt, ich war fünfzehn). Dummerweise hatte ich das Musical meinem Deutschlehrer gezeigt, der fand, es sei wahrscheinlicher, dass ich zum Mars fliege, als dass ich in Zukunft Musicals schreibe. Das beendete meine Schriftstellerkarriere, bevor sie überhaupt begonnen hatte, und so entschied ich mich nach dem Abi für ein Lehramtsstudium. Für diesen Job war ich, was viele meiner Kollegen auch waren: relativ ungeeignet. Vielleicht hätte ich den Beruf wechseln sollen, aber ich hatte keine Idee, was ich sonst mit meinem Leben anstellen sollte. Zudem war ich ein großer Freund von Ferien und regelmäßigen Gehaltsüberweisungen. Von nervigen Kindern hingegen war ich nicht so ein großer Freund. Von ehrgeizigen Eltern noch viel weniger, von der Schulbehörde mit ihren ständig wechselnden Reformideen ganz zu schweigen (ob die dort eigentlich alle LSD nahmen?).
    Während ich gerade über mein verkorkstes Leben im Allgemeinen und meinen peinlichen Auftritt bei Jan im Speziellen nachdachte, kam der kleine Max, ein lockiger Zweitklässler, auf mich zu und schimpfte: «Kevin ist ein Micker!»
    «Micker?», fragte ich irritiert.
    «Ja, ein echter Muttermicker.»
    Der Kleine hatte ganz offensichtlich eine Konsonantenschwäche.
    «Und warum ist er das?», fragte ich, obwohl es mich nicht sonderlich interessierte.
    «Er hat Leon mit Handschellen an die Heizung im Klassenzimmer gekettet.»
    «WAS?»
    Jetzt hatte er doch meine Aufmerksamkeit. «Mit den Handschellen von seinem Papa. Der ist Polizist. Er hat sie heimlich mit in die Schule genommen.» «Micker!», fluchte ich.
    «Sag ich doch», meinte Max und führte mich in den Klassenraum, wo der kleine Leon - Typ dickes Opferkind - tatsächlich an die Heizung gekettet war und jammerte: «Ich muss Pipi!»
    Ich rüttelte an den Handschellen, hatte aber keine Ahnung, wie ich sie aufkriegen sollte. Gerade wollte ich den Hausmeister rufen, da kam der Sportlehrer Axel hinzu und erklärte: «Ich mach das schon. Ich hab mit Handschellen Erfahrung...»
    «... von der man in Anwesenheit von Zweitklässlern vielleicht besser nicht reden sollte», unterbrach ich ihn.
    Er grinste, öffnete die Handschellen geschickt mit einem Draht, und Leon rannte schnell aufs Klo, um Pipi zu machen. Von Kevin keine Spur. Der kleine Max verkündete: «Jetzt mach ich Kevin fertig.»
    «Du solltest nicht streiten», versuchte ich halbherzig einen Streit zu verhindern, obwohl ich eigentlich fand, dass der kleine Kevin ein bisschen Kloppe verdient hatte.
    «Kevin ist aber ein Mixer», schimpfte Max und rannte los.
    «Mixer?», fragte Axel irritiert.
    «Konsonantenschwäche», erklärte ich.
    «Ach, deswegen rief er gestern: »
    Ich seufzte und schlug dann vor: «Wir sollten ihn in einen Förderunterricht geben.»
    «Und wir beide sollten heute Abend endlich mal was unternehmen», grinste Axel breit. Er hatte mich das seit dem Kuss-Desaster vor zwei Jahren immer mal wieder gefragt. Aber jedes Mal hatte ich abgelehnt, was mich für ihn anscheinend von Mal zu Mal noch interessanter machte.
    «Ich habe Freikarten für den Zirkus», lächelte er. «Hast du nicht Lust, mich zu begleiten?»
    Normalerweise hätte ich ihm wieder einen Korb gegeben, aber in meinem Kopf hörte ich plötzlich Holgis Stimme: «One-Night-Stand, One-Night-Stand...»
     

7
    Axel trug an diesem Abend ein besonders körperbetontes Shirt und darüber eine coole Lederjacke. Er hatte so gar keine Ähnlichkeit mit meinem intellektuellen, stilsicheren Jan; und das war auch gut so.
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