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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare
Autoren: David Safier
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Jan. Auch er war nervös. Spürte er, was kommen würde? Hoffte er sogar darauf? Durfte ich darauf hoffen, dass er darauf hoffte?
    Nervös begann ich loszuplappern: «Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass mir der ganze Mist leidtut, den ich damals veranstaltet habe, und ich würde ihn unglaublich gerne ungeschehen machen, aber leider kann man ja nicht in die Vergangenheit reisen...»
    Ich kicherte etwas nervös, nahm einen Schluck Wasser aus einem dieser kleinen Plastikbecher von dem Zahnarztstuhl, die immer nachgefüllt werden, und redete dann weiter: «Ich will mich dafür bei dir entschuldigen...»
    Er schwieg, war durcheinander, versuchte das alles zu verarbeiten, bekam es aber sichtlich nicht hin. Dann sagte ich den einzigen Satz, auf den es hier ankam, all mein Gestammel zuvor war irrelevant, es ging doch nur um diesen einen Satz und Jans Antwort darauf. Und so erklärte ich tapfer: «Ich liebe dich immer noch.»
    Jan musste schlucken. Und ich musste jetzt auf eine Antwort warten. Die Zeit dehnte sich, es waren vielleicht nur Sekunden, aber tatsächlich kamen sie mir vor wie Stunden, Tage, Jahre, Äonen. In dieser gefühlten Zeit hätten Zivilisationen entstehen und wieder vergehen können. Hätte Albert Einstein diesen Moment mitfühlen können, er hätte seine Relativitätstheorie neu geschrieben. Endlich hob Jan zu einer Antwort an. Mein Herzschlag setzte vor Aufregung fast aus. Dieses Behandlungszimmer, dieser Vorhof der Hölle, könnte sich jeden Augenblick in den Himmel verwandeln. All meine Träume könnten wahr werden. Mein tristes Leben könnte wieder einen Sinn bekommen.
    Und dann erklärte er mit leiser Stimme: «Aber ich liebe dich nicht mehr.»
    Es war, als ob mir jemand das Herz zerquetschte, so sehr schmerzte es.
    Jan sah mich entschuldigend an, es tat ihm sichtlich leid, mir so wehzutun.
    «Ich habe dich geliebt», begann er sich zu erklären, «und ich war nach der Geschichte damals am Boden zerstört...» Er lächelte schwach, aber ich war zu schwach, um schwach zurückzulächeln. «Doch bin ich durch diese Erfahrung auch reifer geworden», redete er weiter. «Ich weiß jetzt besser, was ich will, und die Liebe mit Olivia ist eine tiefe, erwachsene Liebe ... eine reife Liebe ... Wir wissen, dass wir füreinander bestimmt sind ... und ... und...»
    Er sah in meinem Gesicht, dass ich nicht wirklich hören wollte, warum es mit Olivia so viel großartiger war als mit mir, und stellte fest: «... und ich sollte vielleicht nicht mehr weiterreden.»
    Er sah mich nun an, schwieg, und bevor er so etwas Albernes wie «Wir können ja Freunde bleiben» sagen würde, entließ ich ihn aus seiner Unsicherheit: «Geh ruhig zu ihr, ich finde schon allein hinaus.»
    Er nickte, sah mich noch einmal kurz an und ging dann zu seiner Olivia in den Gang und umarmte sie, was sie sichtlich erleichterte. Sie hatte wirklich Angst vor mir gehabt.
    Ich betrachtete die beiden: Ihre Liebe war also reif, wunderbar und groß, sie waren füreinander bestimmt ... das hatte Jan gesagt. Nicht nur, dass er mich nicht mehr liebte. Er liebte Olivia mehr, als er mich je geliebt hatte. In meinem Inneren zerbrach nun alles. All meine Hoffnung, all meine Lebensfreude und all mein Selbstbewusstsein.
    Dazu sang Abba:
    Und ich dachte mir: Frietjof, Ulla, Catherine und Karlsson.
     
    Jetzt hasste ich es total, ein Klischee zu sein.
    Und ich wünschte mir so sehr, nicht mehr ich zu sein.
     

4
    Währenddessen im Leben von William Shakespeare, London, 12. Mai 1594
     
    Sir Francis Drake, der Admiral der Königin, hatte sein mächtiges Schwert gezogen und brüllte mich an: «William Shakespeare! Du wagst es, mit meinem Weibe das Bett zu teilen, während ich draußen auf See für England kämpfe?»
    Dabei stand ich splitterfasernackt vor ihm. In seinem edlen Schlafgemach. Neben seinem ebenfalls nackten Eheweib Diana.
    Augenscheinlich war der Admiral früher als von uns allen erwartet von seiner jüngsten Seefahrt in die Heimat zurückgekehrt, und wir hatten seine Schritte auf der Holztreppe nicht gehört, vermutlich weil sie von unserem eigenen wollüstigen Gestöhne übertönt wurden. Selbstverständlich hatte ich schon vorher gewusst, dass ich mich in höchste Gefahr begebe, wenn ich Beischlaf vollziehe mit dem Weib von Englands größtem Helden, dem Bezwinger der spanischen Armada. Allerdings lag allein in dieser Tatsache der erotische Reiz, das lustvolle Prickeln, die gesamte Begehrlichkeit von Diana
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