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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal
Autoren: Roland Brodbeck
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Cramers Enthüllungen in derselben Weise zu ertragen, wie der Duke von Edinburgh bestimmt nicht aus lauter Sympathie für den blonden Urenkel nach London gekommen war, sondern weil er es als seine Pflicht ansah, dem König den Rücken zu stärken und damit die Monarchie zu retten.
    Die Wagenkolonne fuhr um die rechteckige, pingelig gepflegte Rasenfläche des Innenhofs herum und hielt beim offiziellen Eingang zu den Apartments der Staatsgäste. Ein Angestellter öffnete die Tür. Simon wartete bereits und versicherte sich, dass ich auch nach dem Gespräch mit dem Premier König bleiben würde. Die Etikette kurz vergessend, drückte er mich. Sein Rückhalt tat gut, ohne meinen Simon würde ich das alles nicht durchstehen.
    Wir nahmen gemeinsam mit dem Premierminister das Mittagessen ein. Er sorgte anschließend dafür, dass wir unbürokratisch die Adressen der Opfer und Verletzten des Anschlages erhielten. Timm, Simon und ich schickten am Nachmittag eine große Zahl von Kondolenzschreiben ab – jedes eines zu viel – und riefen bei den Verletzten im Krankenhaus an, um ihnen gute Besserung zu wünschen. Die Anrufe tätigte vor allem Simon, ich musste währenddessen mit Grant die Liste der Anwärter auf den Titel „Sir“ durchgehen und mit ihm besprechen, wie wir postum Alan Turing ehren könnten.
    Am Nachmittag erschien ein sehr gut ausgerüstetes Fotografenteam mit Visagisten und Friseur. Sie hatten den Auftrag, ein offizielles Porträt aufzunehmen. Mindestens hundertmal wurde ich fotografiert. Das Porträt würde für einen ganz besonderen Zweck verwendet, nämlich für eine neue Zwanzig-Pfund-Banknote, die mein Gesicht anstelle der Queen oder das meines Großvaters zeigen würde. Der Premierminister habe angeordnet, diese Serie möglichst schnell in Umlauf zu bringen, als klares und für alle im Alltag sichtbares Bekenntnis zum neuen Staatsoberhaupt König Alexander IV.
    Erst spät am Abend fanden Simon, Timm und ich Zeit, um zu dritt mehr oder weniger inkognito in eine Kneipe in der Stadt Windsor zu gehen. Das brauchten wir nach einem langen Arbeitstag in einer der letzten Bastionen des guten Benehmens.

Schlussgedanken
    Der britische königliche Haushalt, eine der letzten Bastionen des guten Benehmens, hat erstaunlicherweise bereits gewisse Erfahrungen mit homosexuellen Affären gemacht. Ein Onkel der heutigen Queen, Prince George, First Duke of Kent, hatte zumindest eine innige Freundschaft mit dem homosexuellen Schauspieler Sir Noel Coward in der Zeit vor und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Prince George starb 1942 unter mysteriösen Umständen. Diese Affäre fand in einer Zeit statt, in der Homosexualität in Großbritannien strafbar war und das Sprechen über eine möglicherweise ins Erotische reichende Beziehung zwischen zwei Männern jeglichem königlichen Benehmen widersprach. In dieser Zeit wuchs Queen Elisabeth II. auf und so verwundert es nicht, dass die Monarchin bis heute niemals öffentlich eine positive oder negative Geste oder ein Statement zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen abgegeben hat. Zur Etikette der Königshäuser gehört es mithin, homosexuelle Beziehungen als bloße Freundschaften kleinzureden. Doch nun, zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts, sind immer weniger Schwule bereit, ihre Beziehungen hinter einem Mantel des Schweigens zu verbergen – auch in hohen politischen Ämtern.
    Der vielleicht berühmteste britische Aktivist für Schwulenrechte, Peter Tatchell, fragte neulich im Buckingham-Palast an, warum Ihre Majestät die Queen während ihrer mittlerweile sechzig Jahre dauernden Regentschaft noch nie ein nettes, aufmunterndes Wort für die LGBT-Leute übrig hatte. Er scheiterte an den realen „Post-Nannys“ des Buckingham-Palasts kläglich und hat bis heute (Juli 2012) keine Antwort von der Pressestelle Ihrer Majestät erhalten.
    Im Falle der britischen Monarchie stellt sich die Lage in der Tat etwas komplizierter dar als bei einem rein weltlichen Amt in Westeuropa. Das Weltreich der Queen umfasst nicht nur tolerante Gebiete, sondern Königin Elisabeth II. ist auch Staatsoberhaupt von Antigua und Barbuda, Barbados, Belize, Grenada, Jamaika, Papua-Neuguinea, den Salomonen, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und den Grenadinen sowie Tuvalu. Diese sogenannten Realms verhängen drakonische Strafen für einvernehmliche homosexuelle Beziehungen und der Monarch schwört bei der Thronbesteigung, die Gesetze aller Realms zu achten – auch die ungerechten. Ein Schwuler
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