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Plasma

Plasma

Titel: Plasma
Autoren: Jeff Carlson
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Helikopter. Vielleicht waren es auch mehr. Die Maschinen gingen sanft tiefer und setzten in nahezu vollendeter Symmetrie auf. Die Seitentüren an beiden Helikoptern standen offen. Männer in grünen Druckanzügen sprangen zu Boden – Männer ohne Gesichter und ohne Schultern, deformiert durch Sturmhauben und Sauerstoffbehälter.
    »Sie sind unten«, sagte sie.
    Auf ihrer Seite des Highways erstreckten sich freie Felder, ein flacher, unregelmäßiger Streifen brauner Erde, der die Firmengebäude von der Straße trennte. Ruth sah einen Maschendrahtzaun, der die Soldaten vielleicht für kurze Zeit aufhielt – aber es gab da eine eingesunkene Stelle, an der sie ihn vermutlich niederreißen oder überklettern konnten. Das Geknatter der Helikopter brach sich an der hohen Fassade eines Lagerhauses.
    Cam drängte sich neben sie und reckte den Hals, um besser sehen zu können. Ameisen bedeckten seine Schulter. »Hier können wir nicht gegen sie kämpfen«, sagte er zu Newcombe.
    »Die Insekten«, warf Ruth ein. »Wenn wir es schaffen, dass die Insekten zwischen uns und ihnen sind ...«
    »Okay. Los!« Newcombe rollte herum und zerrte seinen Rucksack von den Schultern.
    Ruth wandte sich ab und kroch unter dem Fahrzeug hervor. Sobald sie aus dem Schatten auftauchte, drehte sie sich nach Cam um. Er war dicht hinter ihr und streifte im Laufen die Ameisen von seinem Ärmel. Gemeinsam kauerten sie zwischen den reglosen Autos nieder.
    Sonnenlicht hatte sich auf Sauerstoffbehältern und Waffen gespiegelt, aber wie viele Soldaten waren es insgesamt gewesen? Zehn? Zwanzig?
    »Hier! Stopp!« Cam zerrte sie hinter einen weißen Mercedes. »Wenn sie die Böschung heraufkommen, können wir versuchen, sie in Richtung des Transporters zu dirigieren.«
    Ruth nickte. Ihr Mund war wie ausgetrocknet. Wo blieb Newcombe ?
    Während sie wartete, kam ihr zu Bewusstsein, wie erschöpft sie eigentlich war. Alte Wunden, neue Verletzungen. Sie zog ihre Pistole. In einem anderen Leben hätten ihr die Schmerzen längst Einhalt geboten, aber sie war nicht mehr der Mensch von damals. Das galt für sie alle. Und es war gut und schlecht zugleich. In mancher Hinsicht war Ruth Goldman inzwischen weniger kompliziert, nicht mehr so sehr vom Kopf als eher von ihren Gefühlen gesteuert. Und es steckte eine echte Kraft in ihrer Wut, in ihrer Verzweiflung und ihrer Scham.
    Sie war es ihren Freunden schuldig, dass sie weiterkämpfte. Sie war es sich selbst schuldig, jeden Fehler, den sie begangen hatte, wieder gutzumachen.
    Schwer atmend, den bitteren Geschmack der Gesichtsmaske auf den Lippen, kickte Ruth den teilweise geschmolzenen Brustkorb eines Kindes beiseite. Sie erreichte die hintere Stoßstange des Autos, lehnte sich breitbeinig dagegen und brachte ihre Pistole in Anschlag.
    Viele Überlebende nannten es das Pestjahr oder auch Jahr Eins. Aber nicht nur die Menschheitsgeschichte war in den langen vierzehn Monaten seit Ausbruch der Maschinenseuche am Nullpunkt angelangt. Die unsichtbaren Nanobots verschlangen alle Warmblüter, die in Regionen unterhalb von 10000 Fuß oder 3000 Metern lebten. Was vom Ökosystem übrig blieb, war völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Fische, Frösche und Reptilien reichten nicht aus, um die explodierende Insektenpopulation in Schach zu halten – und das Land litt darunter. Ganze Wälder fielen den Heuschreckenschwärmen und Termitenkolonien zum Opfer. Erosion setzte ein und bewirkte, dass Flüsse für immer ihren Lauf änderten.
    Die Grenzen von Staaten und Nationen verwischten sich. Es gab nur noch wenige bewohnbare Gebiete auf der Erde – Rockies, Anden, Alpen und Himalaya, dazu ein paar weit verstreute Flecken in den Hochlagen von Neuseeland, Japan und Kalifornien. Leadville im früheren Colorado war nun die Hauptstadt der USA und die größte Militärbasis der Welt. Die Möglichkeiten der Streitkräfte waren um mehrere Größenordnungen reduziert, aber auf sämtlichen anderen Kontinenten war die Flüchtlingsbevölkerung in grausame Landkriege verstrickt und rottete sich, unterstützt von zwei harten Wintern, gegenseitig aus.
    Im Vergleich dazu war der Bürgerkrieg in Nordamerika geradezu harmlos. Die Rebellen gaben eine Unabhängigkeitserklärung ab und ergriffen Besitz von den Großstädten dicht unterhalb der Todesgrenze. Und die meisten fanden genug Nahrungsmittel, Brennmaterial, Medikamente und Werkzeuge, um einigermaßen über die Runden zu kommen.
    Säugetiere und Vögel konnten sich für mehrere Stunden der
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