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Plan D

Plan D

Titel: Plan D
Autoren: Simon Urban
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Schritte auf die Hagere zu und hielt ihr den Abzug unter die Nase. Aus der Wohnung roch es nach Schnaps. Das Bauzaun-Grinsen erlosch.
    »Wohnen Sie jetzt ganz allein im 18 . Stock, gnä’ Frau?«
    »Sieht wohl so aus«, hauchte die Hagere und hielt sich am Türrahmen fest. »Was haben Sie mit ihm gemach t …?! Sie Aas! Sie haben meinen einzigen Nachbarn erschossen!«
    »Welche Wohnung ist die von Herrn Fischer?«
    »Nichts sag ich euch, ihr Dreckspolypen, Sackgesichter, Nazischweine! Ihr habt ihn erschossen!«
    Wegener wandte sich ab und ging den schummrigen Gang hinunter. Dreißig Meter kahler, dreckiger Flurtunnel. Eine Neonröhre summte und blieb dabei vollkommen dunkel, eine andere blinkte alle drei Sekunden auf, erlosch wieder, knackte leise. Das kurze Flimmern blendete Risse an den Wänden ein und wieder aus. Auf dem Boden Putzbrocken, Wollmäuse, Flecken, die im Dunkeln verschwanden, wieder da waren, verschwanden. Wegener hielt sich in der Mitte des Flurs. Wartete mit dem nächsten Schritt auf das nächste Flimmern. Stoppte, wenn es dunkel blieb. Im Hintergrund forderte Voss die Hagere auf, in ihre Wohnung zu gehen. Die Hagere jammerte. Voss wurde lauter. Wegener klappte sein Minsk auf und leuchtete mit dem Display die Klingelschilder ab. Zwei Türen ohne Namen. Über der dritten Klingel ein Stück Klebeband, auf das jemand mit Kugelschreiber die Buchstaben We geschrieben hatte, der Rest war abgerissen. Vor der vierten Tür lag ein größeres Stück Putz. Wegener hielt sein Display hoch: Unter der Decke Spinnweben, in denen tote Mücken schwebten, dunkle Wasserflecken. Drei Türen ohne Namen. Dann ein Klebebandstreifen, diesmal vollständig mit rotem Filzstift beschriftet: E . FISCHER . Wegener holte die Magnetkarte für den Präsidiumsparkplatz aus dem Portemonnaie, hielt das Minsk direkt über das Türschloss und versuchte, die Karte zwischen Schloss und Rahmen zu schieben. Zwei Zentimeter weit kam er, dann war Schluss. Irgendwas blockierte. Wegener drückte kräftiger, das Plastik bog sich. Er zog die Karte aus dem Türspalt und versuchte es ein Stück tiefer. Am anderen Ende des Flurs war Voss mit der Frau in ihrer Wohnung verschwunden. Wegener bückte sich und betrachtete das Schloss. Keine Einbruchspuren, nicht mal ein Kratzer. Die Abdeckung des Zylinders war neu. Um die Sache würde sich einer von Lieneckes Männern kümmern müssen. Die Lache der Hageren schallte über den Flur und brach schlagartig zusammen. Das Ross kam herangetrabt und schwenkte etwas in der rechten Hand.
    »Herr Hauptmann! Die Alte hat einen Schlüssel!«
    Voss stoppte unter der blinkenden Neonröhre, sein Gesicht war jetzt ein bedrohlich flackernder, fleischfarbener Smiley. »Hat er ihr vor nem Jahr gegeben, damit sie die Blumen gießt.«
    »Mit Korn?«
    »Sie schwört, dass nie was mitgegangen ist.«
    Wegener schüttelte den Kopf, steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte zweimal um, drückte die Tür mit dem Ellenbogen auf. Blendende Helligkeit. Zwei große Fenster, keine Vorhänge.
    Voss schnaufte so enttäuscht, als hätte er ein Penthouse erwartet und keine Plattenbude. Wegener ließ seinen Blick durch das Ein-Zimmer-Appartement wandern. In der linken Ecke eine alte Schlafcouch, ausgeklappt, bezogen, die orange-braune Bettdecke akkurat gefaltet. Rechts neben der Tür eine Kochnische mit Herd und Kühlschrank, neben dem Spülbecken gestapelte Teller, Tassen, zwei Gläser, aus denen Besteck ragte, Sonja-Kaffeefilter, eine Flasche Leumikor-Reiniger, vor dem Fenster ein Küchentisch mit zwei Klappstühlen, auf der Fensterbank mehrere Blumentöpfe, in denen Rosen wuchsen. Die Pflanzen sahen so perfekt aus, als wären sie gerade gekauft worden. In der rechten hinteren Ecke trennten zwei Wände ein kleines Bad ab. Durch die offene Tür konnte Wegener eine altrosa Toilette mit farblich passendem Vorleger erkennen. In der ganzen Wohnung der gleiche graue PVC-Boden wie im Flur, allerdings gründlich gereinigt. Ein paar hellere Platten in der Kochnische waren offenbar ausgetauscht worden.
    »Was meinen Sie, Voss?«
    »Sieht aus wie ein Musterappartement, sozialistische Einraumwohnung um 1970. Ich könnte in so was nicht leben.«
    »Das hat E. Fischer vermutlich genau so gesehen«, sagte Wegener. »Keine Vorhänge, keine Bilder, kein Teppich, keine Tischdecke, keine Bücher, keine Schränke. Nicht mal ein Kleiderschrank. Aber Rosen in Töpfen.«
    »Zweitwohnung«, sagte Voss. »Vielleicht wohnt der woanders und ist nur ab und zu
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