Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plan D

Plan D

Titel: Plan D
Autoren: Simon Urban
Vom Netzwerk:
ein paar Jahren hätte sie gesagt, Geld verdienen, okay, aber lass mich mit internationalen Staatsgeschäften in Ruhe. Bei internationalen Staatsgeschäften geht es nicht nur um Geld, sondern um Macht. Und alles, was mit Macht zu tun hat, kostet dich bei uns irgendwann Kopf und Kragen. Wer seinen Kopf und seinen Kragen mag, sollte sich da raushalten, und zwar lebenslänglich.
    »Ich bin unschuldig, Herr Hauptmann!« Karolina war aus irgendeiner Aufzugtür gekommen und gab sich keine Mühe, ihre Überraschung zu verbergen. Hübscher konnte ein überraschtes Gesicht nicht aussehen. Hübscher konnte überhaupt kein Gesicht aussehen.
    »Das habe ich ganz anders in Erinnerung«, sagte Wegener und ärgerte sich sofort. Jedes Wort, das ihm jetzt rausrutschte, würde einen unerträglichen Vergangenheitsanteil haben, jeder Satz deutete nach hinten, wurde ein Damalsgebilde, ein außer Kontrolle geratenes Zeitloch. Wegener fragte sich, was schlimmer war, dass er das nicht in den Griff bekam oder dass Karolina überhaupt nichts davon merkte. Die strahlte. Die küsste ihn so distanziert auf die Wange, als wäre er ein Kind mit einer ansteckenden Krankheit. Setzte sich aufs Sofa. Zwei Plätze Abstand.
    »Gute Musikwahl fürs Foyer«, sagte Wegener.
    »Danke. Ich gebe es weiter.« Karolina holte ihr Minsk aus der Rocktasche und drückte schnell nacheinander auf zwei Tasten. Stummschaltung.
    »Neues Telefon?«
    » M 7.«
    »Ach, du bist jetzt bei der Stasi.«
    Karolinas Sommersprossengesicht war sofort ein bisschen beleidigt. Der schmale Mund ein Strich, der nicht wusste, wohin er sollte. Die Augenbrauen zweimal kindliche Kränkung. Ihre rostroten Haare noch kürzer als beim letzten Treffen. Eine flache Frisurmütze, die auch noch gut aussah, wie alles an Karolina. Frauen tragen die Haare kurz, weil sie wissen, dass Männer wollen, dass Frauen die Haare lang tragen, dachte Wegener und sagte: »Die Assistentin eines Fachbereichsleiters des Ministeriums für Energieexport und Transitwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik könnte ruhig etwas humorvoller sein. Humor ist gut fürs Geschäft.«
    Karolinas Mund weichte auf. »Ich wollte es dir bei ner Tasse Glühwein sagen. Konnte ja nicht wissen, dass du einfach hier aufkreuzt.«
    Ein paar Sekunden war es still.
    »Du strahlst so. Bist du schwanger oder gekündigt?«
    Karolina lachte. »Befördert.«
    Wegener wusste nicht, wie er reagieren sollte, und sah, dass Karolina merkte, dass er nicht wusste, wie er reagieren sollte. »Wie muss man dich jetzt anreden?«
    »Fachbereichsleiterin im Ministerium für Energieexport und Transitwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik. Oder Gas-Nutte. Wie du willst.«
    »Ich nehme die Gas-Nutte.«
    »Eine gute Wahl.«
    »Welcher Fachbereich?«
    »Mitteleuropa. Sektio n 1.«
    »Klingt gut.« Wegener versuchte ein charmantes Lächeln hinzukriegen und ahnte, dass ihm das misslang. »Hast du Lust auf Currywurst?«
    »Hab ich. Aber hier ist die Hölle los. Wegen der Konsultationen.« Karolina guckte leidend und hob die Hände. Kein neuer Ring.
    »Ja, die Konsultationen«, sagte Wegener. »Vielleicht kann ich deinem Laden ein bisschen Ärger ersparen. In Hinblick auf diese Konsultationen.«
    Jetzt verschwand alles Kindliche aus Karolinas Gesicht. »Was für Ärger?«
    Wegener sah sich um. Das Empfangsmondgesicht telefonierte. Der Weißhaarige und seine Russenbengel waren verschwunden.
    »Hört man euch hier ab?«
    »Ich hoffe nicht. Warum?«
    »Die Antwort kostet eine Currywurst, Kombinatskarrierefrau.«
    Karolina griff in die Rocktasche und zog einen zerknitterten Zehn-Mark Schein heraus. »Wir essen ja beide schnell.«
    *
    Karolina salzte nach. Die doppelte Currywurst dampfte in der Pappschale, schwarzen Pfeffer hatte sie schon drübergepulvert, Pikanta-Currywürzmischung auch, jetzt schüttelte sie den Salzstreuer mit einer Handbewegung, die Wegener wehmütig werden ließ. Er zog den Stehtisch weiter unter die Markise, von der das Wasser an allen Seiten herunterfloss, noch ein Stück in die Nähe des Heizsoldaten. Karolina folgte dem Tisch salzend. Aus einem blechernen Lautsprecher sang Jan »Schmuso« Hermann schon wieder von Zeit und Liebe.
    Wegener lächelte. »Warst du mal beim Arzt?«
    »Weil ich kein fades Essen mag?«
    »Weil du das Gewürzkontingent eines sozialistischen Durchschnitts-Haushalts verbrauchst. Und der hat vier Personen.«
    »Ich arbeite auch wie vier Personen.« Karolina spießte mehrere Wurststücke auf die Holzgabel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher