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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
Autoren: Daniel G. Keohane
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Gesicht loderte, zwang sich aber, den Blick nicht abzuwenden.
    »Wie lange nimmst du schon Antibabypillen?«, verlangte er zu erfahren.
    Joyce gab hinter ihnen einen überraschten Laut von sich, doch sie konnte nicht das volle Ausmaß dessen begreifen, was Seyha getan hatte. Das konnte nur Bill.
    Sag es ihm , dachte sie. Sofort . Natürlich war es zu spät, dennoch wollte sie keine Lügen mehr.
    »Diesen Oktober drei Jahre.«
    Sein Griff um ihr Handgelenk verstärkte sich. Sie glaubte, der Knochen müsste jeden Moment brechen. Seine Hand zitterte; er schien sie verletzen zu wollen, dann jedoch lockerten sich seine Finger und glitten von ihr ab – vermutlich, um sie nie wieder zu berühren.
    Wir beide wissen, Doung Seyha, dass es dir nicht gut geht. Dass es dir nie gut gegangen ist.
    Bills Miene wirkte so verkniffen, als hätte sich jeder Gesichtsmuskel gleichzeitig verkrampft. Er schaute weg und sprach die Worte, die Seyha gehofft hatte, nie zu hören. »Vor drei Jahren, als wir dachten, du wärst ...« Er schloss die Augen und presste die Frage heraus. »... du wärst schwanger – warst du es? Hast du ...« Sein Atem ging stoßweise. Wie betäubt wartete Seyha, wusste nicht, was sie tun sollte, wie sie die Frage beantworten sollte, die Bill so verbissen versuchte, nicht zu stellen. Dennoch tat er es. »Hast du es abtreiben lassen, Seyha?« Mit nach wie vor geschlossenen Augen wankte er auf den Knien. »Hast du es getan, ohne es mir auch nur zu sagen?«
    Als sie nichts erwiderte, starrte er ihr ins Gesicht und fand die Antwort. Sie brauchte nichts zu sagen. Nicht mehr. Bill sank auf die Fersen zurück, den Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen, und kroch von ihr weg.
    Seyha vergrub das Gesicht in den Händen, konnte die Zerstörung ihres Mannes nicht länger mit ansehen. »Es tut mir leid«, brachte sie schließlich heraus. »Ich hatte Angst.«
    Bills Mund bildete das Wort Angst , doch er besaß keine Stimme, wie in den Visionen, den Albträumen, die sich mit der wahren Welt vermischt und alles zerstört hatten.
    Zwei Hände legten sich sanft auf Seyhas Schultern. Sie versuchte, sie abzuschütteln, doch die Finger lösten sich nicht. Joyces Stimme ertönte. »Seyha, Sie beide haben viel zu besprechen, aber wir müssen nach draußen.«
    »Wir haben gar nichts zu besprechen!«, brüllte Bill.
    »Kommen Sie, Seyha. Stehen Sie auf. Sie auch, Bill.«
    »Und dabei hast du dauernd gesagt, wir würden es weiter versuchen. Jedes Mal hast du dir eines dieser ... Dinger in den Mund gesteckt.« Wie ein Betrunkener rappelte er sich auf die Beine und sah sich im Haus um. »Gott!«, rief er aus. Seyha wusste nicht, ob er noch mit ihr oder tatsächlich mit Gott redete und ihm die Schuld an ihren Sünden gab.
    Der Gedanke löste ein plötzliches Aufflammen von Hoffnung aus, das sie jedoch im Geiste sofort unterdrückte. Für Erlösung war es zu spät.
    Seyha ließ sich von Joyce aufhelfen. Sie vermutete, dass sie in diesem Moment ähnlich wie Bill aussah, und fühlte sich außerstande, ohne fremde Hilfe zu stehen. Durch die Fenster zeichnete sich der helle, klare Tag ab. Sie waren frei, konnten flüchten – nur, wohin würde sie gehen? Seyha war nicht freier als in den Klauen der Finsternis.
    Angeblich sollte die Wahrheit sie befreien, doch stattdessen hatte die Wahrheit sie nachgerade getötet.
    Lügen hatten sie getötet.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie zu niemand Bestimmtem.
    Sie bewegten sich auf die Eingangstür zu.
    Du hast deine Familie, deinen Ehemann entehrt , sprach die Nonne in ihrem Kopf. Seyha fürchtete, die Frau würde für immer darin bleiben.
    Das Foyer schillerte vor Licht, das durch die Fenster neben und über der Tür einfiel.
    Als Joyce Mrs. Watts zur Vordertür scheuchte, klammerte sich Gem mit einer Hand am Ärmel der Geistlichen fest, erfüllt von der Angst, eine plötzliche Bö könnte sie zurück ins Haus schleudern, auf dass sie in alle Ewigkeit darin gefangen wäre, ihre Familie nie wiedersehen würde. Je näher sie der Tür kamen, desto mehr steigerte sich diese Angst.
    »Gem, schieb nicht so«, brummte Joyce über die Schulter.
    »Tut mir leid.« Dennoch fand sie es unmöglich, sich zu beherrschen. »Beeilen Sie sich«, flüsterte sie.
    Mr. Watts lief wie ein Zombie neben ihr. Er sah durch und durch elend aus. Gem scheute sich davor, ihn anzusehen. Sie hatte genug gehört, um zu wissen, dass sie nicht noch mehr hören wollte. Für ihren Geschmack hatte sie bereits zu viele Geheimnisse erfahren
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