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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
Autoren: Daniel G. Keohane
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Joyce, und sei es nur, um sie daran zu erinnern, dass immer zumindest eine Vermittlerin da sein würde, um ihnen zu helfen, sich von diesem Schock zu erholen. Danach würde es an ihnen liegen, die Risse zu kitten. In Anbetracht des Ausmaßes von Bills Entdeckung betete Joyce, dass es überhaupt möglich sein würde, den Schaden zu beheben. Es waren schon unzählige Ehen aus geringeren Gründen in die Brüche gegangen.
    Gem setzte sich in Bewegung. »Bis dann«, sagte sie. »Viel Glück«, meinte sie noch und deutete mit dem Kopf in Richtung der Watts’.
    Joyce nickte abwesend, dann überquerte sie den Rasen und kniete sich zwischen Seyha und Bill.
    Gem öffnete die Vordertür ihres Hauses. Eliot war ihr über den Rasen gefolgt und stand auf der untersten Verandastufe. »Mach schon, Gem, erzähl! Wie sieht es dort drinnen aus?«, bettelte er. Sein Freund schenkte ihnen beiden keine Beachtung und widmete sich stattdessen dem garstigen Kratzer an seinem Arm.
    Mit dem Fuß über der Türschwelle hielt Gem inne und versuchte zu entscheiden, was sie erwidern sollte. Schließlich zuckte sie mit den Schultern und sagte: »Finster. Es war finster.«
    »Das ist alles?«
    Gem gelangte zu dem Schluss, dass dem vorläufig so war, und betrat das Haus. Sie erklomm die Treppe und ging an ihrem Zimmer vorbei, da sie den überwältigenden Drang verspürte, ihren Vater zu suchen und ihn zu umarmen.

EPILOG
    Dreizehn Jahre später
    Die Episkopalkirche Saint Cecilia mochte größer als die meisten ihrer Art sein, dennoch war sie kleiner als die durchschnittlichen katholischen Kirchen, die New England beherrschten. Jede Kirchbank und jeder offene Abschnitt entlang der Wände war mit Menschen gefüllt. Viele kamen regelmäßig hierher oder hatten es früher getan, bevor sie in andere Ortschaften übersiedelt waren. Die ersten Bankreihen hatte man gesperrt und mit Schildern versehen, auf denen ›Reserviert‹ stand. Dort saßen Mark Camez, immer noch Bischof von Central Massachusetts, sowie die Bischöfe fast jeder anderen Diözese von New England, ferner Vertreter der Verwaltung in New York und einige Politiker aus Westminster und den angrenzenden Gemeinden.
    Joyce Lindu lag stumm vor dem Altar. Ihre Predigten würde man nur noch in Erinnerungen und Träumen hören. Für viele hatten sie bereits vor elf Jahren geendet, an jenem Sonntag, an dem sie sich von der Gemeinde und ihren Freunden verabschiedet hatte, bevor sie in ein vergessenes Dorf in der Dominikanischen Republik zog.
    Am vergangenen Abend waren über drei Stunden lang einzelne Menschen und ganze Familien durch die Räumlichkeiten des Bestattungsunternehmens Sullivan geströmt, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Statt einer zweiten Totenwache an diesem Abend war der gegenwärtige Pastor bereitwillig der Aufforderung von Bischof Camez nachgekommen, einen Gedenkgottesdienst abzuhalten. Die obere Hälfte des Sargs stand offen, um den Anwesenden einen letzten Blick auf Joyces Gesicht zu ermöglichen. Grau hatte sich in ihr unbändiges rotes Haar eingeschlichen. Das polierte Mahagoniholz reflektierte den Schein der über das Sanktuarium verteilten Lampen und Kerzen und verlieh dem Sarg den Anschein, mit einem eigenen Licht zu schimmern.
    Die Frau auf dem Podium, eine von vielen, die Erinnerungen an Reverend Lindu vortrug, zögerte, als sie die Merkzettel vor sich sammelte. Sie versuchte, nicht zu dem Sarg neben ihr zu schauen, um nicht von einem neuen Anflug von Emotionen dieser letzten Minuten mit ihrer Freundin beraubt zu werden. Selbst nach strengsten Maßstäben konnte man die Frau, die sich auf ihre Rede vorbereitete, nur als wunderschön bezeichnen. Sie war Ende zwanzig, mittelgroß und besaß dichtes, blondes Haar, das über die Schultern ihres Kostüms fiel – ihres einzigen Kostüms, wenngleich sie das niemandem gegenüber zugegeben hätte. Gem schaute vom Podium auf und lächelte.
    »Joyce lag etwas an den Menschen«, begann sie. »Als ich heranwuchs, habe ich sie nicht richtig gekannt, obwohl wir Tür an Tür lebten, später aber, nachdem wir unsere erste ernste Unterhaltung hatten, wurden wir Freundinnen.« Sie legte eine Pause ein und kratzte sich am Hinterkopf, obwohl es nicht juckte, eine Gewohnheit, die sie vor Jahren entwickelt hatte, wenn sie nach Worten rang. »Ich kann nicht genau sagen, worüber wir geredet haben, aber ich war ein typischer Teenager und dachte, ich wüsste alles. Sie hätte jede meiner Fragen beantworten und es dabei belassen können. Aber das
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