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Pittys Blues

Pittys Blues

Titel: Pittys Blues
Autoren: Julia Gaebel
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man es selbst je sein würde. Das merkst du, wenn du runter zum Fluss gehst und einfach nur still dasitzt. Du musst nichts direkt anschauen, nichts fixieren, einfach gucken. Und wenn du dann noch diese ewige Unruhe, die ihr doch alle in euch habt, ausschalten kannst - dann weißt du, wie Pitty war. Sie war in ihrer zierlichen Ruhe mächtig, so mächtig wie alles, was sie umgab.
    «Wir gehen zu Tulipe.»Sie schob ihre Hände in die Hosentaschen. Es war keine Frage.
    «Da kannst du drauf wetten! Dass wir da nicht gleich wieder hin sind... Ich muss echt ein Brett vorm Kopf haben.»Dick machte Schritte, zwischen denen ausgewachsene Esel Platz gehabt hätten.
    Man kann sich darüber wundern oder nicht, ich kann nur sagen: Wir Männer brauchen manchmal halt länger, bis sich Tatsachen in unseren Köpfen festhaken. Und nur weil Dick verzögert auf das reagierte, was sein Hirn ihm sagte, heißt das noch lange nicht, dass es ihm nicht wichtig war. Er brauchte einfach so lang, bis er es verstand. Er hatte es gehört, er hatte auch jedes Wort klar und deutlich vernommen, aber die Worte flogen lose in seinem dicken Schädel herum, bis sie sich auf die richtige Stelle hockten und ihm ein Licht aufging.
     
    Es gab für die Leute keinen Grund, noch länger im Diner zu sitzen. Das dachte sich auch Vera.
    Sie hatte keine Lust mehr auf die merkwürdige Stimmung ihrer Gäste.

    «Na, seid ihr jetzt endlich satt? Habt ihr nichts zu tun? Schafft die Karre von der Lichtung! Oder wollt ihr, dass ich Simmons noch eine Nacht auf meiner Bank liegen habe?!»Sie fegte alle entnervt aus dem Diner. Sie mochte ihre Gäste, aber wenn sie sich zu lange mit ihnen umgab, bekam sie keine Luft mehr. Und bei dem Wetter schienen die Rickviller Durchhaltevermögen zu beweisen.
    Alle quollen motzend aus der Tür. Wie grausam Vera war, sie bei diesen Eistemperaturen frierend in die Welt hinauszuschicken. Keiner wollte in die Kälte, niemand wollte dem anderen zu nah kommen, aber jeder wollte ums Verrecken draußen sein, bevor man sich einen Arschtritt von Vera einfing.
    «Seid ihr immer noch nicht weg?»Vera war kurz davor, die Letzten mit einem Besen anzuschieben.
    Nur Sheriff Steve Lucas war noch im Waggon. Er wartete im, seiner Meinung nach einem Sheriff gebührenden, Abstand und Veras Worte ignorierend hinter dem Knäuel Menschen und schob seine Schultern nach hinten.
    «Ich mach mich dann auch mal auf den Weg.»Lucas zog sich den Gürtel zurecht, holte seine Taschenuhr aus der Westentasche und verglich sie mit der Uhr im Diner.«Vera, deine Uhr geht falsch.»
    «Hau ab. Meiner Uhr geht’s gut.»
    Er setzte sich seinen Hut auf und ging.
    Vera schaute auf die Wanduhr, klopfte aufs Zifferblatt.«Na ja, vielleicht auch nicht.»
    Als sich die Blase von Rickvillern vor der Tür des
Diners geordnet hatte, waren Dick und Pitty schon längst außer Sichtweite.
    Welcher Idiot hat eigentlich mal behauptet, aller guten Dinge sind drei? Mumpitz! Aller guten Dinge sind zwei, und ob die beiden wirklich so gut sind, darüber lässt sich erst recht streiten.
    Wenn man stolpert, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man fällt auf die Schnauze, oder man fängt sich wieder. Und wenn man fällt, dann gibt es auch wieder zwei Möglichkeiten: Man rappelt sich wieder auf, oder man bleibt liegen. Irgendwie gibt es immer zwei Möglichkeiten, und irgendwie ist immer die, die auf den ersten Blick weniger anstrengend scheint, im Nachhinein diejenige, die man besser nicht nehmen sollte.
    Aber wenn man die Konsequenzen kennt, ist es ohnehin zu spät.
    Genau das dachte Moe, als er sich die Schuhe auf der Veranda von Jones’ Hütte abklopfte und die Tür knarzend aufschob.
    In und um Rickville herum rieb die Dunkelheit ihre Nase am Horizont. In einer Entfernung von ungefähr hundert Metern von Dicks Holzhütte sah man Jones’ Blockhaus. Es war besser in Schuss als Dicks Haus, das konnte man auf den ersten Blick und trotz der weißen Schicht erkennen. Das Holz der Veranda war frisch lasiert und der Dielenboden gefegt, man konnte getrocknete Erdspuren sehen. Jones’ Schuhabdrücke.
    Jones war nicht da, und Moe starrte einen Moment angestrengt ins Dunkle der Hütte.
    Damals hatte es auch zwei Möglichkeiten gegeben.
Sie konnten nicht sagen, sie hätten keine Wahl gehabt, denn sie hatten sie. Aber eine war schlimmer als die andere gewesen, und sie mussten schnell reagieren.
    Moe hörte, wie sich das Schwappen der Wellen an seine großen Ohrmuscheln schob, wie das Wasser gegen die
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