Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
Vom Netzwerk:
hast? Dass du mich mit deinen feinen Kumpels fast jeden Tag bis zur Weißglut geärgert hast? Dass du derjenige warst, der mich mit dem schönen Satz ›Wir werden jetzt mal dafür sorgen, dass der Fischkopp Flüssigkeit bekommt‹ zum Saufen gezwungen hast. Dass du es warst, der, nachdem du erfahren hattest, dass ich nur mit meiner Mama hierher gekommen bin, irgendwann auf die tolle Idee gekommen ist, dieses Scheiß-Lied jeden Tag zu singen. Hast du Drecksack auch nur den Hauch einer Vorstellung davon, was ich damals durchgemacht habe? Ich bin nachts schweißgebadet aus fürchterlichen Albträumen aufgewacht. Ich hab mir sogar manchmal morgens vor der Schule aus lauter Angst in die Hosen geschissen! Wenn ich meine Mama nicht gehabt hätte, ich hätte mich umgebracht!«
    »Lars, es tut mir wirklich leid, das hab ich doch nicht gewollt!«, sagte Tannenberg erkennbar betroffen.
    »Für eine Entschuldigung ist es viel zu spät! Das hättest du dir schon früher überlegen müssen.«
    »Ja, aber wie denn? Du bist doch nie zu unseren Klassentreffen erschienen. Da hätten wir doch in aller Ruhe darüber reden können.«
    »Und warum bin ich dort nie erschienen, obwohl ich trotz allem, was ihr mir damals angetan habt, große Lust gehabt hätte, einige der ehemaligen Klassenkameraden einmal wiederzusehen? Weil ich unheimliche Angst vor dir und deinem Psychoterror hatte! Du verfluchter Scheißkerl!«
    »Mensch, Lars, das tut mir echt leid. Das hab ich doch nicht gewollt. Das waren doch blöde Schülerstreiche!«
    »Blöde Schülerstreiche? Für dich vielleicht! Mich …« Mattissen brach ab und dachte kurz nach. »Ist ja auch jetzt egal. Ich hab jedenfalls Mama an ihrem Todesbett geschworen, dass ich sie rächen werde und dass alle diejenigen, die sie in den Schmutz gezogen haben, bitter dafür bezahlen werden.«
    »Aber Lars, du hast uns noch nicht alles gesagt!«, warf plötzlich die Kriminalpsychologin ein.
    »Wieso?«, fragte Mattissen verblüfft.
    »Weil da noch etwas anderes ist. Was ist an diesem Abend dort hinten in der Wirtschaft noch passiert? Was haben die Frauen noch mit dir angestellt? Die haben dich als Mamakindchen bezeichnet, sich darüber lustig gemacht, dass ein erwachsener, attraktiver Mann wie du sich nicht für andere Frauen interessiert, weil er völlig auf seine Mama fixiert ist. Haben die dir etwa unterstellt, dass du eine Liebesbeziehung zu deiner eigenen Mutter unterhältst?«
    »Halt’s Maul, du Schlampe! Du spinnst doch! Ich bin doch nicht pervers!«, schrie der Serienmörder mit sich überschlagender Stimme.
    Lars Mattissen griff sich mit der linken Hand, die nach wie vor den Klappbügel nach unten drückte, an den Kopf, fuhr sich mehrfach durch die Haare und fuchtelte mit der anderen Hand wie ein Degenfechter mit der silbernen Pistole herum.
    »Hast du nun mit deiner eigenen Mutter geschlafen – oder nicht?«, schrie die Profilerin so laut sie nur konnte.
    Tannenberg stockte der Atem.
    Lars Mattissen blieb stehen, ließ die Waffe sinken und blickte mit leeren Augen in die Finsternis.
    Eva ging ruhig auf ihn zu. »Lars, es ist vorbei. Komm, gib mir die Waffe.«
    Ein Ruck ging durch Mattissens Körper. Er riss die Waffe nach oben und richtete sie direkt auf ihren Kopf.
    »Es ist noch nicht vorbei! Erst erschieß ich dich noch«, schrie er laut in die gespenstische Stille der Nacht.
    Plötzlich peitschte ein lauter Knall durch die Luft. Die Detonation erzeugte in dem engen Tal einen unglaublichen Halleffekt. Aufgeschreckte Eichelhäher kreischten los und wurden von laut schnatternden Elstern bei ihrer wütenden Protestaktion unterstützt.
    Tannenberg sah, wie Lars Mattissen durch den Kugeleinschlag in seine Stirn nach hinten umgerissen wurde und anschließend in sich zusammensackte. Eva stieß einen lauten, spitzen Schrei aus und warf sich sofort die Hände schützend über ihre Ohren. Ihr bleiches Gesicht war mit hellroten Blutspritzern übersät.
    Tannenberg stürzte panikartig in Richtung des am Boden liegenden Mörders. Die Fernsteuerung lag mit umgeklapptem Metallbügel direkt neben Mattissens geöffneter Hand. Dann rannte er an den Felsen. Der kleine Monitor zeigte keine Nulllinie, sondern die gleichen Kurven wie vorhin. Er blickte hoch zu Kerstin Müller. Ihr Brustkorb hob und senkte sich im grellen Scheinwerferlicht.
    Also lebte die Frau noch.
    Tannenberg ging langsam zurück zu Eva, die immer noch zitternd an derselben Stelle stand. Er umfasste sie mit seinen Armen und zog sie an sich.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher