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Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)

Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)

Titel: Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
Autoren: Harald Schneider
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Wasserstand des Chiemsees recht niedrig war. Allerdings war
der Ober noch nicht fertig. Er zeigte auf meinen fast unberührten Teller. »Und aus
dem Treber, der beim Brauen übrig bleibt, backen wir für die Touristen den Kaiserschmarrn.«
    Ich blickte
auf die Schmarrn-Klumpen auf meinem Teller, danach auf das Schmarrn-Bier. »So süß
schmeckt das Bier gar nicht.«
    Der Ober
winkte ab. »Das können wir alles mit ein bisschen Chemie neutralisieren. Ihr in
Deutschland dürft das ja nicht mit eurem Reinheitsgebot. Wir sind da etwas flexibler.
Hauptsache, es schmeckt den Touristen.«
    Ich wurde
hellhörig. »Und was trinken Sie für ein Bier?«
    »Sie wollen
es aber genau wissen«, flüsterte der Ober weiter. »Also gut, wie Sie wollen. Gehen
Sie draußen die Getreidegasse Richtung Westen zum Mönchsberg. Kurz bevor die Gasse
endet, geht’s links in die Malzgasse. Im zweiten Haus finden Sie die modernste österreichische
Brauerei mit allen Schikanen. Das ist der absolute Geheimtipp, steht natürlich in
keinem Touristenführer. Ist schließlich nur für uns Einheimische gedacht.«
    Ich bedankte
mich für den Insidertipp und war glücklich, zumal mich Stefanie nicht nötigte, den
Rest des Kaiserschmarrns zu essen. Sie blickte auf meinen fast vollen Teller und
verzog das Gesicht.
    »Heute Abend
koche ich in unserer Wohnung was Gesundes. Ich wusste nicht, dass der Kaiserschmarrn
so süß ist.«
    Ich blickte
zu Paul, der seinen Teller bis auf den letzten Krümel leer gegessen hatte und sich
als Nachtisch unablässig Mozartkugeln in den Rachen warf, die er nicht einmal zu
kauen schien. In einer kleinen Pause fragte er mich: »Papa, warum sprechen die Leute
eigentlich so komisch? Die hören sich an wie Micky Maus auf Ecstasy.«
    »Ich habe
den Ober auch nicht verstanden«, meldete sich Melanie. »Hat der vielleicht einen
schweren Sprachfehler?«
    Eigentlich
müsste ich nun als Erziehungsberechtigter dringend hinterfragen, woher Paul wusste,
wie sich jemand nach dem Genuss von Ecstasy anhörte. Das Zeug gab es schließlich
auch in Deutschland. Da meine Frau ebenfalls auf eine erzieherisch wertvoll wirkende
Antwort aus meinem Mund wartete, erläuterte ich den Kindern: »Wir sind hier in einem
fremden Land. Man kann nicht davon ausgehen, dass überall Pfälzisch gesprochen wird.«
    Nachdem
ich die überraschend hohe Rechnung bezahlt und 42 Cent Trinkgeld hinzuaddiert hatte,
wedelte Stefanie freudestrahlend mit dem Prospekt. »Jetzt laufen wir als Verdauungsspaziergang
hoch zur Burg. Dort haben wir bestimmt eine tolle Aussicht auf die Berge.«
    Sofort zogen
Melanie und Paul Schnuten und begannen zu maulen.
    »Können
wir lieber ein Taxi nehmen?«, meinte Paul.
    »Oder eine
Kutsche?«, ergänzte Melanie. »Die Wege sind doch voller Pferdescheiße, da mag ich
nicht laufen.«
    Ich erkannte
meine Chance, indem ich meiner Frau beistand. »Nichts da, ihr habt gehört, was eure
Mutter gesagt hat. Die paar Meter zur Burg hinauf werden euch guttun. Ihr seid in
letzter Zeit sowieso etwas zu bequem und faul geworden.«
    Stefanie
lächelte mir wegen der unerwarteten Hilfestellung zu. Jedenfalls bis zu meinem folgenschweren,
psychologisch nicht ganz geschickt angebrachten Nachsatz: »Ich schaue mir inzwischen
kurz die Brauerei an, von der der Ober erzählte, dann treffen wir uns in zwei Stunden
wieder hier.«
    Nach ein
paar weiteren Worten gelang es mir, den Rest der Familie von meinem Plan zu überzeugen.
Ich hatte nun für zwei Stunden sturmfreies Salzburg, die es zu nutzen galt. Eine
moderne Brauerei, hier in Österreich, das konnte ich mir beim besten Willen nicht
vorstellen. Dieser offensichtliche Widerspruch musste geklärt werden. Oder hatte
mich der Ober auf den Arm genommen?
    Nein, so
etwas machte man nicht mit Touristen. Ich lief die Getreidegasse wie beschrieben
entlang und fand wenig später die Malzgasse. Sie war recht kurz und endete 50 Meter
weiter an einem steil ansteigenden Hügel, auf dessen oberem Ende ich so etwas wie
eine alte Stadtmauer ausmachen konnte. Beim ersten Mal lief ich am Eingang glatt
vorbei. Erst im zweiten Anlauf entdeckte ich das winzige, fast nicht lesbare Brauereischild
an einer vergammelten Tür, die wie der Eingang zu einer verkommenen Spelunke aussah.
Das dazugehörende Gebäude sah weit weniger vertrauenerweckend aus. Seltsamerweise
gab es weder eine Klingel noch sonst eine Möglichkeit, sich anzumelden. Da die Tür
nur angelehnt war, öffnete ich sie und blickte auf eine schmutzige
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