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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses
Autoren: Ellis Peters
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Arme um sie und barg sein Gesicht an ihrer Brust, dann begann er, haltlos zu weinen, so spontan und so heilsam wie St. Winifreds Wunderquelle.
    Als sie sich später im Sprechzimmer des Abtes versammelten - Abt, Prior, Bruder Cadfael, Hugh Beringar, Olivier und Luc -, hatte er seine Stimme und sein Gesicht wieder in der Gewalt und konnte alles richtigstellen, was an Rainald Bossards Tod und den darauf folgenden Ereignissen noch zweifelhaft war.
    »Ich habe Euch unwissentlich getäuscht, Ehrwürdiger Vater«, sagte Cadfael. Er bezog sich auf das Gespräch, nach dem er so hastig aufgebrochen war. »Als Ihr fragtet, ob wir, ohne es zu wissen, einen Mörder beherbergt hätten, antwortete ich Euch, daß ich das in der Tat glaubte, daß wir aber noch Zeit hätten, einen zweiten Mord zu verhindern. Mir ist erst später klargeworden, wie Ihr dies verstehen mußtet, nachdem wir gerade das blutbefleckte Hemd gesehen hatten. Aber Ihr müßt wissen, daß ein Mann, der einen anderen ersticht, das Blut auf Ärmel oder Krägen bekommen kann, aber keinen so großen Fleck auf Brust und Schulter über dem Herzen. Nein, dies war eher ein Hinweis darauf, daß der Träger des Hemdes einen Verletzten, einen tödlich Verletzten in den Armen gehalten hat.
    Und der Mörder hätte das blutbefleckte Hemd nach der Tat gewiß nicht behalten, sondern er hätte es verbrannt oder vergraben oder sonst irgendwie beseitigt. Aber dieses Hemd, wenn es auch sorgfältig gewaschen worden ist, trug noch deutlich den Umriß des Flecks, und es wurde als heiliges Relikt mitgenommen, vielleicht als Mahnung, Rache zu üben. So wußte ich, daß Luc, den wir als Matthew kannten und in dessen Beutel der Talisman gefunden wurde, nicht der Mörder war.
    Aber als ich mich an all die Worte erinnerte, die ich die beiden jungen Männer hatte sprechen hören, an all die Beweise ergebener Zuwendung, die der eine dem anderen erwies, sah ich plötzlich das Paar umgekehrt vor mir; ich sah es als Verfolgung. Und ich fürchtete, daß sie mit einem Tod enden würde.«
    Der Abt sah Luc an und fragte knapp: »Ist das richtig vermutet?«
    »Das ist es, Ehrwürdiger Vater.« Luc erklärte unmißverständlich, wie sich seine Besessenheit entwickelt hatte, als hätte er sie gerade erst entdeckt und könnte sie nur verstehen, wenn er darüber sprach. »Ich war an jenem Abend bei meinem Herrn, es war in der Nähe des alten Münsters.
    Plötzlich fielen vier oder fünf Männer über den Schreiber her, und mein Herr rannte los, wir hinterher, um sie abzuwehren.
    Und sie flohen, aber einer machte kehrt und stach. Ich sah die Tat, und sie wurde in voller Absicht begangen! Ich hielt meinen Herrn in den Armen - er war gut zu mir gewesen, und ich liebte ihn«, sagte Luc grimmig, doch beherrscht und mit brennenden Augen, als die Erinnerungen kamen. »Er war nach wenigen Augenblicken tot... und ich hatte gesehen, wohin der Mörder floh; er verschwand im Durchgang hinter dem Kapitelhaus. Ich ging ihm nach und hörte Stimmen in der Sakristei - Bischof Henry war nach dem Ende des Konzils aus dem Kapitelhaus gekommen, und dort hatte Ciaran ihn gefunden. Er fiel vor ihm auf die Knie und sprudelte alles heraus. Ich lauschte in meinem Versteck und hörte jedes Wort. Ich glaube, er hoffte auf ein lobendes Wort«, sagte Luc bitter.
    »Ist das möglich?« warf Prior Robert tief erschüttert ein.
    »Bischof Henry konnte doch nicht eine so üble Tat gutheißen oder billigen.«
    »Nein, er billigte sie nicht. Aber er wollte auch keinen so vertrauten Diener als Mörder ausliefern. Er wollte ihn bestraft sehen«, erklärte Luc voller Abscheu, »aber er wollte weiteren Streit verhindern und alles verschleiern, was den Erfolg der Kaiserin und den Frieden, den er schließen wollte, gefährden konnte. Aber einen Mord decken - nein, das wollte er nicht. Ich hörte das Urteil, das er über Ciaran sprach - wenn ich da auch noch nicht wußte, wer er war oder daß er Ciaran hieß. Der Bischof verbannte ihn für immer in seine Heimat, nach Dublin, und verurteilte ihn dazu, jeden Schritt bis nach Bangor und zum Schiff in Caergybi barfuß zu tun und ein schweres Kreuz zu tragen. Und wenn er je Schuhe anzog oder das Kreuz vom Hals nahm, sollte sein Leben verwirkt sein, und jeder, der wollte, konnte ihn ohne Vorwurf oder Strafe töten. Aber Ihr müßt wissen«, ergänzte Luc, der erbarmungslos in seinem Urteil war, »daß der Bischof nicht ehrlich spielte. Denn er gab ihm nicht nur den Ring, der ihm den Schutz der Kirche bis
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