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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären
Autoren: Bill Bryson
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Vermont und New Hampshire sei seit 200 Jahren kein Mensch mehr von einem Bären getötet worden, beruhigen kann? Die Angriffe blieben ja nicht aus, weil die Bären ein Abkommen mit den Menschen ausgehandelt hatten. Es spricht nichts dagegen, daß sie nicht schon morgen ein kleines Massaker anrichten.
    Stellen wir uns also vor, ein Bär in der Wildnis hätte es auf uns abgesehen. Wie soll man sich verhalten?
    Interessanterweise sind die empfohlenen Tricks bei Grizzly –beziehungsweise Schwarzbärattacken genau gegensätzlich. Bei dem Überfall eines Grizzlybären sollte man den nächsten hohen Baum aufsuchen, da Grizzlys keine guten Kletterer sind. Wenn kein Baum in Reichweite ist, sollte man langsam rückwärts gehen und dabei den Blickkontakt vermeiden. Alle Bücher raten einem, auf keinen Fall zu rennen, wenn der Grizzly auf einen zukommt. Solche Ratschläge können nur von Schreibtischtätern kommen. Lassen Sie sich gesagt sein: Wenn Sie sich in einem offenen Gelände befinden und keine Waffe dabei haben, dann nehmen Sie besser die Beine in die Hand. Was bleibt Ihnen schon anderes übrig? So haben Sie in den letzten sieben Sekunden Ihres Lebens wenigstens etwas zu tun. Sollte der Grizzly Sie jedoch einholen, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird, lassen Sie sich auf den Boden fallen und stellen Sie sich tot. An einem schlaffen Körper knabbert der Grizzly nur ein bißchen herum, im allgemeinen verliert er nach wenigen Minuten die Lust und schlurft davon. Bei Schwarzbären dagegen ist der Trick, sich tot zu stellen, vergeblich, denn sie knabbern weiter an einem herum, bis auch der beste plastische Chirurg später nichts mehr ausrichten kann. Auf einen Baum zu klettern wäre ebenfalls ziemlich töricht, denn Schwarzbären sind geschickte Kletterer, und man würde den Kampf gegen den Bären lediglich auf den Baum verlagern, wie Herrero trocken feststellt.
    Am besten, schlägt Herrero vor, sollte man einen Höllenlärm veranstalten, um einen aggressiven schwarzen Bären zu vertreiben, auf Töpfe und Pfannen schlagen, mit Stöcken und Steinen werfen und »auf den Bär zulaufen«. (Bitte. Wenn Sie als erster gehen, Herr Professor!) Andererseits, fügt er vernünftigerweise hinzu, könnten diese Tricks »den Bären erst recht provozieren«, Vielen Dank auch. An anderer Stelle empfiehlt Herrero, als Wanderer solle man daran denken, gelegentlich Krach zu machen, zum Beispiel ein Lied zu singen, um einen Bären vor seiner Anwesenheit zu warnen, da ein überraschter Bär höchstwahrscheinlich wütender sein wird. Doch dann mahnt er ein paar Seiten weiter, daß »es gefährlich sein könnte, Krach zu machen«, da er einen hungrigen Bären anlocken könnte, der einen sonst übersehen hätte.
    Tatsache ist: Keiner kann einem sagen, was man machen soll. Bei Bären weiß man vorher nie, wie sie reagieren, und was bei dem einen klappt, ist bei dem anderen vielleicht verhängnisvoll. Im Jahre 1973 hatten sich zwei Teenager, Mark Seeley und Michael Whitten, zu einer Wanderung durch den Yellowstone National Park aufgemacht und gerieten unterwegs unabsichtlich zwischen eine Schwarzbärmutter und ihre Jungen. Nichts bringt eine Bärenmutter mehr in Rage als Menschen, die sich in der Nähe ihrer Brut aufhalten. Wütend drehte sie sich um und eröffnete die Jagd – trotz des etwas tapsigen Gangs können Bären bis zu 60 Stundenkilometer schnell laufen – und die beiden Jungen erkletterten den nächsten Baum. Der Bär sprang Whitten hinterher, faßte mit dem Maul seinen rechten Fuß und zog ihn langsam und geduldig von seinem Hochsitz herunter. (Spüren Sie da auch, wie sich Ihre Fingernägel in der Rinde verkrallen, oder geht das nur mir so?) Auf der Erde fing der Bär an, den Jungen übel zuzurichten. Seeley versuchte, das Tier von seinem Freund wegzulocken und brüllte es an, worauf es losließ und auch ihn von seinem Baum herunterholte. Beide Jungen stellten sich daraufhin tot – nach den Verhaltensmaßregeln genau das Verkehrte –, und der Bär verschwand.
    Ich möchte nicht behaupten, daß ich wie besessen von dem Thema war, aber es beschäftigte meine Gedanken während der Monate, in denen ich darauf wartete, daß endlich der Frühling käme. Mein besonderer Schrecken – die lebhafte Phantasie, die mich Nacht für Nacht die Baumschatten an der Schlafzimmerdecke anstarren ließ – war die Vorstellung, ich läge in einem kleinen Zelt, allein in der pechschwarzen Wildnis, hörte draußen einen
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