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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären
Autoren: Bill Bryson
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geraten schnell in Wut. Als Meriwether Lewis und William Clark zu Beginn des letzten Jahrhunderts zu ihrer Expedition in die Wildnis aufbrachen, stellten sie fest, daß nichts die eingeborenen Indianer mehr zermürbte als ein Grizzlybär. Und das ist nicht weiter erstaunlich, denn man kann einen Grizzly mit Pfeilen durchlöchern, ihn buchstäblich damit spicken, so daß er aussieht wie ein Stachelschwein – er wird immer noch nicht aufgeben. Selbst Lewis und Clark zeigten sich erstaunt und verunsichert über die Fähigkeit des Grizzlys, ganze Geschützsalven zu verkraften, ohne auch nur leicht ms Wanken zu geraten.
    Herrero berichtet von einem Fall, der die Robustheit des Grizzlys sehr schön veranschaulicht. Die Geschichte handelt von einem erfahrenen Jäger in Alaska, Alexei Pitka, der sich durch den Schnee an ein großes Männchen herangeschlichen und es mit einem gezielten Schuß ms Herz aus einem großkalibrigen Gewehr niedergestreckt hatte. Pitka hätte vorher noch einmal in den Verhaltensregeln nachlesen sollen. »Erst überprüfen, ob der Bär auch wirklich tot ist. Dann Waffe ablegen.« Er näherte sich behutsam und beobachtete ein, zwei Minuten lang, ob der Bär sich nicht rührte. Als er keine Regung feststellen konnte, lehnte er sein Gewehr gegen einen Baum (schwerer Fehler!) und trat vor, um seine Beute zu beanspruchen. Gerade wollte er das Fell berühren, da sprang der Bär auf, legte ihm seine breiten Tatzen um den Kopf, als wollte er ihm einen Kuß geben, und riß ihm mit einem Ruck das Gesicht weg.
    Pitka überlebte wie durch ein Wunder. »Ich weiß auch nicht, wieso ich das Scheißgewehr an den Baum gestellt habe«, sagte er später. (Eigentlich war nur »Mnnnpfffnnnndgnnn« zu verstehen, da Pitka weder über Lippen, Zähne, Nase, Zunge noch über ein anderes Stimmorgan mehr verfügte.)
    Sollte ich betätschelt und angeknabbert werden – was mir immer wahrscheinlicher erschien, je mehr ich las –, dann von einem Schwarzbären, Ursus americanus. Es gibt ungefähr eine halbe Million Schwarzbären in Amerika, vielleicht sogar eine dreiviertel Million. Sie sind sehr verbreitet in den Bergen entlang des Appalachian Trail, ja sie benutzen den Weg sogar gern, weil er so bequem ist, und ihre Zahl ist im Steigen begriffen. Die Zahl der Grizzlybären dagegen beläuft sich, bezogen auf ganz Nordamerika, auf höchstens 35.000; davon entfallen gerade einmal 1.000 auf das Herzland der Vereinigten Staaten, hauptsächlich auf den Yellowstone National Park und Umgebung. Schwarzbären sind in der Regel kleiner (das ist allerdings relativ zu sehen, denn ein Schwarzbärmännchen kann immer noch 300 Kilo auf die Waage bringen), und sie sind eindeutig zurückhaltender.
    Schwarzbären greifen selten von sich aus an, aber manchmal eben doch. Alle Bären sind behende, schlau und unglaublich stark, und sie haben immer Hunger. Sie können einen Menschen töten und fressen, wenn sie wollen, und sie tun es auch – wenn sie wollen. Es kommt nicht oft vor, aber – und das ist der springende Punkt: einmal reicht. Herrero gibt sich alle Mühe, darauf hinzuweisen, daß Schwarzbärattacken zahlenmäßig selten sind. Für den Zeitraum von 1900 bis 1980 konstatierte er lediglich 23 Tötungen von Menschen durch einen Schwarzbären (das sind halb so viele Tötungen wie durch Grizzlybären), und die meisten ereigneten sich im Westen oder in Kanada. In New Hampshire hat jedenfalls seit 1784 kein unprovozierter tödlicher Übergriff eines Bären auf einen Menschen mehr stattgefunden, und in Vermont sogar noch nie.
    Ich hätte mich von diesen quasi Versprechungen ja gerne trösten lassen, aber mir fehlte es an der nötigen Glaubenskraft. Der Aussage, daß zwischen 1960 und 1980 500 Menschen von Schwarzbären angegriffen und verletzt wurden – 25 Übergriffe pro Jahr, bei einer Population von mindestens einer halben Million Bären –, fügt Herrero hinzu, die meisten Verletzungen seien nicht schwer gewesen. »Die typischen, von einem Bären zugefügten Verletzungen«, schreibt er kühl, »sind nur geringfügiger Natur und beschränken sich für gewöhnlich auf ein paar Kratzer oder leichte Bißwunden.« Was, bitteschön, ist eine leichte Bißwunde? Geht es hier um spielerische Ringkämpfe und Nasenstüber? Wohl kaum. Und sind 500 nach- gewiesene Übergriffe tatsächlich eine so bescheidene Zahl, wenn man bedenkt, daß nur wenige Menschen die Wälder Nordamerikas je betreten? Und wie blöd muß man sein, damit einen die Information, in
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