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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären
Autoren: Bill Bryson
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zurückzuzahlen.«
    »He!« sagte ich. »He.« Ich konnte mich an diese 600 Pfund gar nicht mehr erinnern. Ich hatte noch nie jemandem in meinem Leben Schulden in dieser Höhe erlassen, und es dauerte eine Weile, bis ich die Worte herausbrachte: »Kein Problem. Komm einfach mit wandern. Weißt du auch, worauf du dich einläßt?«
    »Klar.«
    »Und wie ist deine körperliche Verfassung?«
    »Ziemlich gut. Ich gehe nur noch zu Fuß.«
    »Wirklich?« Das ist sehr ungewöhnlich für amerikanische Verhältnisse.
    »Na ja, mein Wagen wurde beschlagnahmt. Deswegen.«
    »Ach so.«
    Wir redeten noch über dies und das, seine Mutter, meine Mutter, Des Moines. Ich erzählte ihm alles, was ich über den Trail wußte, was nicht viel war, und über das Leben in der Wildnis, das uns erwartete. Wir verblieben so, daß er nächsten Mittwoch nach New Hampshire fliegen sollte, wir uns zwei Tage Zeit für Vorbereitungen nehmen und uns dann auf den Weg machen würden. Zum ersten Mal seit Monaten hatte ich ein rundum gutes Gefühl, was unser Unternehmen betraf. Katz klang außerdem recht optimistisch für jemanden, der das Ganze eigentlich nicht mitzumachen brauchte.
    Zuletzt fragte ich ihn: »Und? Wie stehst du zu Bären?«
    »Bis jetzt haben sie mich jedenfalls noch nicht gekriegt.«
    Das ist die richtige Einstellung, dachte ich. Mensch, Katz, altes Haus. Du kommst mir wie gerufen.
    Mir wäre jeder recht gewesen, der diesen Elan hatte und den festen Willen, mit mir loszuziehen. Nachdem ich aufgelegt hatte, fiel mir ein, daß ich vergessen hatte ihn zu fragen, warum er eigentlich mitwollte. Katz war der einzige Mensch auf der Welt, bei dem ich mir vorstellen konnte, daß er sich vor jemandem verstecken mußte, vor Leuten, die Julio hießen oder Mister Big. Egal. Ich brauchte jedenfalls nicht allein zu gehen.
    Ich ging zu meiner Frau, die in der Küche am Spülbecken stand, und überbrachte ihr die gute Nachricht. Ihre Begeisterung fiel reservierter als erwartet aus.
    »Du willst also wochenlang mit einem Menschen, den du seit 25 Jahren nicht mehr gesehen hast, durch die Wildnis wandern. Hast du dir das auch gründlich überlegt?« (Als hätte ich mir je etwas gründlich überlegt.) »Ich dachte, ihr beiden wärt euch in Europa gehörig auf die Nerven gegangen.«
    »Nein.« Das stimmte nicht ganz. »Wir sind uns bloß am Anfang auf die Nerven gegangen. Zum Schluß hatten wir nur noch Verachtung füreinander übrig. Aber das ist lange her.«
    Sie warf mir einen zutiefst zweifelnden Blick zu. »Ihr beide habt nichts gemein. Ihr seid völlig verschieden.«
    »Wir sind überhaupt nicht verschieden. Wir sind beide 44 Jahre alt. Wir werden uns über unsere Hämorrhoiden unterhalten, unsere Schmerzen im unteren Rückenbereich und darüber, daß wir ständig vergessen, wo wir irgend etwas hingelegt haben. Und dann frage ich ihn am nächsten Abend, sag mal, habe ich dir schon von meinen Rückenproblemen erzählt?, und er sagt, nein, ich glaube nicht, und wir kauen das Thema wieder von vorne durch. Es wird bestimmt toll.«
    »Es wird grauenvoll.“
    »Ja, ich weiß«, sagte ich.
     
    Eine Woche später fand ich mich an unserem kleinen Flughafen ein und beobachtete, wie die Konservenbüchse mit Katz an Bord aufsetzte und auf der Rollbahn knapp 20 Meter vor dem Terminal zum Stehen kam. Das Brummen der Propeller wurde für einen Moment noch einmal lauter, verstummte dann stotternd, die Tür öffnete sich und die Gangway wurde heruntergeklappt. Ich versuchte mir ins Gedächtnis zurückzurufen, wann ich Katz das letzte Mal gesehen hatte. Nach unserer Europareise im Sommer war er nach Des Meines zurückgekehrt und dort zu Iowas Drogenguru aufgestiegen. Jahrelang -war sein Leben ein einziges, rauschendes Fest gewesen, bis keiner mehr zum Mitfeiern übriggeblieben war, so daß er nur noch mit sich allein feierte, in seiner Wohnung, in T-Shirt und Boxer-Shorts, mit einem Vorrat an Marihuana, vor einem Fernseher mit Zimmerantenne. Jetzt erinnerte ich mich auch, daß ich ihn zuletzt vor fünf Jahren in Dennys Restaurant gesehen hatte, wohin ich meine Mutter zum Frühstück eingeladen hatte. Er saß ein paar Tische weiter, zusammen mit einem verhärmten Kerl, der aussah, als hieße er Virgil Starkweather oder so ähnlich, er stocherte in seinen Pfannkuchen herum und trank gelegentlich einen verbotenen Schluck aus einer Flasche, die in einem Papierbeutel steckte. Es war acht Uhr morgens, und Katz sah sehr zufrieden aus. Er war immer zufrieden, wenn er betrunken
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