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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären
Autoren: Bill Bryson
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Bär, der auf Futtersuche wäre, und hätte keine Ahnung, was er nun vorhatte. Vor allem ein Amateurfoto in Herreros Buch faszinierte mich. Es war spät nachts von einem Camper auf einem Lagerplatz irgendwo im Westen der USA mit Blitzlicht aufgenommen worden. Der Fotograf hatte vier Schwarzbären erwischt, die sich darüber den Kopf zerbrachen, wie sie an einen Vorratsbeutel kommen sollten, der von einem Ast herunterhing. Die Bären wirkten zwar überrascht – von dem Blitzlicht vermutlich –, aber sie waren nicht im geringsten erschrocken. Es war weniger die Größe oder das Verhalten der Bären, was mich beunruhigte – sie sehen komischerweise völlig harmlos aus, wie vier junge Männer, deren Frisbeescheibe im Baum gelandet war – als ihre Zahl. Bis dahin hatte ich mir nicht klargemacht, daß Bären auch in Rudeln herumstrolchen konnten. Was um Himmels willen sollte ich machen, wenn plötzlich vier von diesen Ungeheuern in mein Lager kämen? Na, was schon? Ich würde natürlich sterben. Buchstäblich tausend Tode sterben, mir in die Hose machen vor Angst, mir den Schließmuskel aus dem Hintern pusten, so wie die Luftschlangen, die man auf Kindergeburtstagen bekommt – ich glaube, es würde das Tier nicht im geringsten beeindrucken – und in meinem Schlafsack jämmerlich verbluten.
    Herreros Buch erschien 1985. Seit damals haben, nach einem Artikel in der New York Times, die Übergriffe durch Bären in Nordamerika um 25 Prozent zugenommen. In dem Artikel hieß es außerdem, Bären gingen im Frühjahr nach einer schlechten Beerenernte wesentlich häufiger auf Menschen los als sonst. Die Beerenernte im Vorjahr war katastrophal ausgefallen. Das gefiel mir alles nicht.
    Dann gab es noch die ganzen Probleme und speziellen Gefahren, die durch die Einsamkeit bedingt sind. Ich habe immer noch meinen Blinddarm und jede Menge anderer, lebenswichtiger Organe, die in der Wildnis aufplatzen oder auslaufen könnten. Was sollte ich in so einem Fall machen? Was, wenn ich von einem Felsvorsprung stürzen und mir das Rückgrat brechen würde? Wenn ich mich bei Nebel oder in einem Schneesturm verirren würde, von einer giftigen Schlange gebissen, bei der Durchquerung eines Flusses auf einem bemoosten Stein den Halt verlieren oder mir nach einem Sturz eine Gehirnerschütterung zuziehen würde? Man kann auch in einer fünf Zentimeter tiefen Wasserlache ertrinken oder an einem verstauchten Fußgelenk sterben. Nein ,nein, das gefiel mir alles ganz und gar nicht.
    Meine Weihnachtsgrüße an Freunde und Bekannte versah ich mit der Einladung, doch mit mir zu wandern, und wenn es nur ein Teil des Weges wäre. Natürlich reagierte keiner darauf. Dann bekam ich eines Tages im Februar, der Termin meiner Abreise rückte immer näher, einen Anruf. Er war von einem alten Schulfreund, Stephen Katz. Katz und ich waren zusammen in Iowa aufgewachsen, aber ich hatte so ziemlich jeden Kontakt zu ihm verloren. Diejenigen unter Ihnen – mehr als fünf werden es wohl nicht sein – die Neither Here nor There gelesen haben, kennen Katz bereits aus den Geschichten über meine jugendlichen Abenteuer als meinen Reisegefährten in Europa. In den 25 Jahren, die seitdem vergangen sind, bin ich ihm drei-, viermal bei Besuchen zu Hause begegnet, aber sonst hatten wir nie mehr etwas miteinander zu tun. Wir waren Freunde geblieben, im theoretischen Sinn, aber unsere Lebenswege hätten verschiedener nicht sein können.
    »Ich habe erst gezögert«, sagte er langsam. Er suchte nach Worten. »Die Sache mit dem Appalachian Trail – könnte ich da vielleicht mitkommen?«
    Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. »Willst du wirklich mitkommen?«
    »Also, wenn du was dagegen hättest das würde ich verstehen.«
    »Was dagegen?« sagte ich. »Nein. Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich bin heilfroh.«
    »Wirklich?« Das schien ihn aufzuheitern.
    »Klar.« Ich konnte es nicht fassen. Ich brauchte nicht allein zu gehen. Ich stimmte innerlich einen Freudengesang an. Ich brauch’ nicht mehr allein zu gehen. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie überglücklich ich bin.«
    »Das ist ja schön«, sagte er, mehr als erleichtert, und fügte dann in bekennendem Tonfall hinzu: »Ich dachte, vielleicht willst du mich nicht dabeihaben.«
    »Wieso denn nicht?«
    »Weil ich dir immer noch 600 Pfund schulde, von unserer Reise damals durch Europa.«
    »He, meine Güte, das kann nicht sein… schuldest du mir wirklich 600 Pfund?«
    »Ich habe mir fest vorgenommen, sie dir
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