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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären
Autoren: Bill Bryson
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ich dir sagen. Du mußt zu weit gegangen sein, du Hornochse, dachte ich. Also bin ich wieder ein Stück runter gegangen, aber das half auch nichts, dann ein Stück seitwärts, und dann – na ja, du siehst, was ich meine.«
    »Man soll nie vom Weg abgehen, Stephen.«
    »Vielen Dank auch. Kommt nur ein bißchen spät, dem Ratschlag, Bryson. Das ist so, als würde man einem Verkehrstoten sagen: >Von jetzt an fahr vorsichtig.«
    »Entschuldige.«
    »Schon verziehen. Ich glaube, ich bin nur noch ein bißchen aus dem Gleichgewicht. Ich dachte wirklich, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Im Wald verirrt, ohne Wasser, während du die ganzen Schokoladenkekse hast.«
    »Wie hast du den Trail dann wieder gefunden?«
    »Durch ein Wunder, ich schwöre es dir. Ich wollte mich gerade den Wölfen und Bären zum Fraß vorwerfen, da schaue ich auf und sehe das weiße Wanderzeichen an einem Baum, und dann gucke ich an mir runter, und siehe da, ich stehe direkt auf dem Trail. Neben dem Schlammloch auch noch. Ich setzte mich hin und rauchte drei Zigaretten hintereinander, um mich zu beruhigen, und dann dachte ich: Scheiße. Bryson ist hier bestimmt schon vorbeigekommen, während ich draußen im Wald herumgetappt bin. Der kommt nicht mehr zurück, denn diesen Abschnitt des Trails hat er schon abgesucht. Dann fing ich an mir Sorgen zu machen, daß ich dich nie wiedersehen würde. Deswegen war ich wirklich überfroh, als du dann aufgekreuzt bist. Um die Wahrheit zu sagen, Bryson, ich war in meinem Leben noch nie so froh, einen Menschen zu sehen.«
    Etwas Flehendes lag in seinem Blick.
    »Willst du nach Hause?« fragte ich.
    Er überlegte einen Moment. »Ja.«
    »Ich auch.«
    Wir beschlossen, den Trail zu verlassen und uns nicht weiter vorzumachen, wir wären echte Bergmenschen, das waren wir nämlich nicht. Am Fuß des Chairback Mountain, sechseinhalb Kilometer weiter, befand sich eine befestigte Forststraße. Wir wußten nicht, wohin sie führte, aber irgendwohin mußte sie ja führen. Ein Pfeil am Rand meiner Karte wies südlich zu den Katahdin Iron Works, einer seltsamen Fabrikanlage aus dem 19. Jahrhundert, heute ein Denkmal der Industriegeschichte. Nach meinem Trail -Führer befand sich vor dem Eisenwerk ein öffentlicher Parkplatz, es mußte also auch eine Straße dorthin führen. Am Fuß des Berges füllten wir unsere Flaschen in einem Bach auf und marschierten dann die Forststraße entlang. Wir waren erst wenige Minuten unterwegs, als in der Nähe Lärm zu hören war. Wir drehten uns um und sahen hinter uns eine Staubwolke auf uns zurollen, die von einem uralten Pick-up verursacht wurde, der mit großer Geschwindigkeit heranraste. Ich hielt instinktiv meinen Daumen raus, und zu meinem großen Erstaunen bremste der Wagen zehn Meter vor uns ab.
    Wir liefen hin und steckten unsere Köpfe durch die heruntergekurbelte Fensterscheibe. In dem Wagen saßen zwei Männer mit Schutzhelmen und ziemlich verdreckt – offenbar Waldarbeiter.
    »Wo wollen Sie hin?« fragte der Fahrer.
    »Egal«, sagte ich. »Hauptsache weg von hier.«

 
    21. Kapitel
     
    Wir bekamen den Katahdin Mountain also nicht zu sehen. Wir bekamen nicht einmal die Katahdin Iron Works zu sehen, erhaschten nur einen verschwommenen Blick von ihnen, weil wir mit 100 Stundenkilometern daran vorbeirasten. Es war die schrecklichste, holprigste Fahrt, die ich je in meinem Leben über eine Schotterpiste, hinten auf der offenen Ladefläche eines Pick-up mitgemacht habe. Nie wieder.
    Wir hielten uns fest, so gut wir konnten, mußten aber zwischendurch die Beine hochreißen, um den Motorsägen und anderen gefährlich aussehenden Gerätschaften auszuweichen, die auf der Ladefläche hin und her rutschten. Der Wald flog an uns vorbei, denn der Fahrer donnerte rücksichtslos die Straße entlang und fuhr mit Begeisterung durch Schlaglöcher, so daß wir hochgeschleudert wurden, und legte sich gleich anschließend, um unsere Marter noch zu erhöhen, mit Freude in die Kurve. Wir standen auf wackligen Beinen, als wir in dem kleinen Ort Milo ausstiegen, 32 Kilometer weiter südlich. Wir waren maßlos erstaunt, mit welcher Geschwindigkeit sich unsere Umgebung verändert hatte. Eben noch mitten in der Wildnis, vor uns mindestens ein Zwei-Tages-Marsch zurück in die Zivilisation, und jetzt standen wir auf dem Gelände einer Tankstelle am Rand einer Kleinstadt. Wir sahen dem Pick-up hinterher, als er wegfuhr, und mußten uns erstmal orientieren.
    »Willst du eine Cola?« sagte ich zu Katz.
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