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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären
Autoren: Bill Bryson
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Wenigstens ging ich in die richtige Richtung. Solange er auf dem Trail blieb, würde ich ihn irgendwann unweigerlich überholen.
    Ich fand ihn vier Stunden nachdem ich losgegangen war. Er saß auf einem Stein an der Abzweigung zum West Chairback Pond, das Gesicht der Sonne zugewandt, als wollte er sich bräunen. Er hatte ziemlich viele Schrammen und Kratzer abbekommen und war schmutzig, aber ansonsten sah er gesund aus. Er war natürlich hocherfreut, als er mich sah.
    »Bryson, altes Haus. Tut das gut, dich zu sehen. Wo warst du die ganze Zeit?«
    »Das habe ich mich auch gefragt. Was dich betrifft.«
    »Ich muß wohl die letzte Wasserstelle verpaßt haben, oder?«
    Ich nickte.
    Er nickte ebenfalls. »Das habe ich mir schon gedacht. Als ich an den Fuß der großen Klippe kam, hatte ich so ein Gefühl. Scheiße, dachte ich, das kann nicht richtig sein.«
    »Warum bist du nicht umgekehrt?«
    »Das weiß ich auch nicht. Ich war davon ausgegangen, daß du bestimmt schon weitergewandert bist. Ich hatte echt Durst. Vielleicht hat mich das etwas verwirrt – vielleicht war ich auch nur denkfaul. Wirklich, ich hatte irren Durst.«
    »Und was hast du gemacht?«
    »Ich bin weitermarschiert und habe mir gedacht, daß ich irgendwann schon auf Wasser stoßen müßte, und schließlich kam ich an diese Schlammgrube.«
    »Wo du die Zigarettenpackung liegengelassen hast.«
    »Hast du sie gefunden? Darauf war ich so stolz. Ich habe etwas Wasser mit meinem Stirnband aufgesogen, das hat Fess Parker mal in der Dave-Crockett-Show vorgeführt.«
    »Gewagt.«
    Er nahm das Kompliment mit einem Kopfnicken entgegen. »Das hat ungefähr eine Stunde gedauert, und dann habe ich noch eine Stunde auf dich gewartet und ein paar Zigaretten geraucht. Dann wurde es dunkel, und ich habe mein Zelt aufgeschlagen, ein bißchen von meiner Salami gegessen und bin schlafen gegangen. Heute morgen dann habe ich nochmal etwas Wasser mit dem Tuch aufgesogen und bin bis hierher gewandert. Ein hübscher See da unten, habe ich mir gedacht, und bin auf die Idee gekommen, hier auf dich zu warten, wo es Wasser gibt, und habe darauf gehofft, daß du vorbeikommst. Ich habe zwar nicht damit gerechnet, daß du mich hier versauern läßt, aber du bist so ein Tagträumer beim Wandern, Bryson. Ich konnte mir gut vorstellen, daß du den ganzen Weg bis auf den Katahdin durchmarschiert wärst, bevor dir aufgefallen wäre, daß ich gar nicht mehr hinter dir bin.« Er nahm einen affektierten Tonfall an. »Oh, was für eine herrliche Aussicht, findest du nicht auch, Stephen? Stephen…? Stephen…? Also, wo steckt der Kerl denn bloß wieder?« Er lachte mich an. Sein altes, vertrautes Lachen. »Insofern bin ich froh, dich wiederzusehen.«
    »Wo hast du die ganzen Kratzer her?«
    Er sah auf seinen Arm, der mit blutverkrusteten Schrammen im Zickzackmuster bedeckt war. »Ach, die? Das weiß ich auch nicht.«
    »Das weißt du nicht? Das sieht aus, als hättest du dich mit einem Skalpell traktiert.«
    »Na ja, ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich habe mich außerdem ein bißchen verlaufen.«
    »Wie ist das passiert?«
    »Nachdem ich dich aus den Augen verloren hatte und bevor ich an das Schlammloch gekommen war, wollte ich an einen See, den ich von oben aus gesehen hatte.«
    »Das ist nicht wahr, Stephen.«
    »Mann, ich hatte wahnsinnigen Durst, und so weit sah es nun auch wieder nicht aus. Also stieg ich in den Wald ab. Das war wohl nicht sehr klug, was?«
    »Nein.«
    »Tja, das habe ich auch sehr schnell begriffen. Kaum war ich ein paar hundert Meter weit gegangen, hatte ich mich auch schon verlaufen. Total verlaufen. Es ist komisch, weil man glaubt, daß man nur runter an den See zu gehen braucht und denselben Weg wieder rauf. Das dürfte nicht allzu schwierig sein, wenn man ein bißchen acht gibt, denkt man. Aber die Sache ist die: Es gibt überhaupt nichts, auf das man acht geben kann. Ein Baum ist wie der andere. Es gibt nur einen einzigen riesigen Wald. Als ich dann begriff, daß ich absolut keine Ahnung mehr hatte, wo ich mich befand, dachte ich, na gut, du hast dich beim Absteigen verlaufen, also geh jetzt besser bergauf. Aber plötzlich sind da tausend Möglichkeiten, bergauf oder bergab zu gehen. Es ist total verwirrend. Ich latsche also einfach los, und latsche und latsche, bis mir klar war, daß ich schon viel weiter rauf gegangen war als vorher runter. Scheiße, Stephen, dachte ich, du dämlicher Trottel. Ich war mittlerweile schon stinksauer auf mich selbst, kann
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