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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären
Autoren: Bill Bryson
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Augenwinkeln, sagte: »Ach, Scheiße«, stand auf und pinkelte über den Rand der Klippe.
    Ich sah ihm hinterher, er wirkte alt und müde, und für einen Moment fragte ich mich, was wir hier oben eigentlich verloren hatten. Wir waren keine kleinen Jungs mehr.
    Ich schaute auf die Karte. Wir hatten praktisch kein Wasser mehr, aber es war nur etwas über einen Kilometer bis zum Cloud Pond, wo wir unsere Flaschen auffüllen konnten. Wir teilten uns den allerletzten Schluck, und ich sagte Katz, ich würde schon mal vorausgehen zu dem See und Wasser filtern, dann sei es fertig, wenn er dazustoße.
    Es war ein netter Spaziergang von 20 Minuten entlang einer grasbewachsenen Kammlinie. Cloud Pond lag am Ende eines steilen Seitenwegs, ungefähr 400 Meter neben dem eigentlichen Trail. Ich lehnte meinen Rucksack gegen einen Baum oben am Wegesrand und ging mit unseren Wasserflaschen und dem Filter runter zum Seeufer.
    Ich brauchte ungefähr 20 Minuten, um an den See zu gelangen, die drei Flaschen zu füllen und auf den AT zurückzukehren, so daß insgesamt etwa 40 Minuten vergangen waren, seit ich Katz zuletzt gesehen hatte. Eigentlich hätte er längst da sein müssen, selbst wenn er noch etwas auf dem Gipfel verweilt hätte und auch, wenn man sein langsames Tempo berücksichtigte. Außerdem war es ein leichter Weg, und ich wußte, daß er Durst hatte, ich fand es daher seltsam, daß er nicht schneller war. Ich wartete 15 Minuten, 20 Minuten, 25 Minuten, schließlich ließ ich meinen Rucksack stehen und ging zurück, um nach ihm zu suchen. Es war über eine Stunde her, daß wir uns zuletzt gesehen hatten, als ich den Gipfel jetzt wieder erreichte – aber Katz war nicht da.
    Ich stand einigermaßen verwirrt an der Stelle, wo wir eben noch gesessen hatten. Seine Sachen waren weg. Offenbar war er losgegangen, aber er war weder auf dem Barren Mountain noch am Cloud Pond und auch nicht auf dem Weg dazwischen – wo steckte er bloß? Die einzige Erklärung war, daß er in die andere Richtung gegangen war. Eigentlich unmöglich. Katz hätte mich niemals ohne eine Erklärung im Stich gelassen. Nie. Oder war er irgendwo unterwegs auf dem Grat gestürzt? Es war ein absurder Gedanke, denn der Weg war nicht im mindesten schwierig oder gar gefährlich, aber man konnte ja nie wissen. John Connolly hatte uns vor einigen Wochen von einem Freund berichtet, der bei großer Hitze ohnmächtig geworden war, auf einem sicheren und ebenen Weg gestürzt war und stundenlang ein paar Meter neben dem Weg in der brütenden Sonne gelegen hatte, bis er langsam austrocknete. Ich suchte den ganzen Trail bis zur Abzweigung zum Cloud Pond nach frischen Spuren ab, besonders den Wegrand, und schaute in Abständen über den Kamm, jedesmal in Angst, Katz in verrenkter Haltung unten auf einem Stein liegend zu entdecken. Ich rief mehrere Male laut seinen Namen, aber bekam nur das Echo meiner eigenen schwächer werdenden Stimme zur Antwort.
    Als ich zur Abzweigung kam, waren es zwei Stunden, seit ich Katz zuletzt gesehen hatte. Langsam wurde mir die Sache unheimlich. Die einzige noch verbliebene Möglichkeit war, daß er an der Abzweigung vorbeigegangen war, als ich gerade unten am See das Wasser filterte, aber auch das war eigentlich höchst unwahrscheinlich. Oben am Trail hing deutlich sichtbar ein Pfeil, auf dem »Cloud Pond« stand, und mein Rucksack hatte darunter am selben Baum gelehnt. Selbst wenn ihm beides nicht aufgefallen wäre, hätte er doch gewußt, daß Cloud Pond nur anderthalb Kilometer vom Barren Mountain entfernt war. Wenn man den AT über so lange Zeit abgewandert war wie wir, kann man einen Kilometer ziemlich genau abschätzen. Er konnte nicht allzu weit über die Abzweigung hinaus gegangen sein, ohne daß er seinen Fehler bemerkt hätte und zurückgekommen wäre. Das ergab keinen Sinn.
    Katz war allein da draußen in der Wildnis, ohne Wasser, ohne Karte, ohne eine genaue Vorstellung von der Beschaffenheit des Geländes vor ihm, wahrscheinlich ohne irgendeine Vorstellung davon, wie es mir erging, und mit einem beängstigenden Mangel an Gespür für das Richtige. Wenn es jemanden gab, der in dem Fall, daß er sich verirrte, den Weg verlassen und eine Abkürzung suchen würde, dann war es Katz. Allmählich machte ich mir ernsthaft Sorgen. Ich hinterließ einen Zettel auf meinem Rucksack und ging den Trail weiter. Nach ungefähr 800 Metern führte der Weg fast 180 Meter senkrecht bergab in ein einsames namenloses Hochtal. Er hätte sicher längst
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