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Picasso kann jeder

Picasso kann jeder

Titel: Picasso kann jeder
Autoren: Martin Schuster
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Dozent mag es nicht, wenn die Studierenden vorzeitig die Vorlesung verlassen. Kaum ist die umlaufende Anwesenheitsliste unterschrieben, verlassen schon einige den Hörsaal. Es wäre also gut, die Anwesenheitsliste erst am Ende der Vorlesung herumgehen zu lassen. Das funktioniert aber nicht, weil es gut 40 Minuten dauert, bis die Liste beim letzten Hörer angekommen ist. Die rettende Idee: Es wird in jeder Hörsaalreihe eine alphabetische Liste mit allen Namen verteilt, die pro Reihe in fünf Minuten bearbeitet ist. Diese Liste kann also erst kurz vor Ende der Vorlesung ausgegeben werden. Nach Einführung dieser Maßnahme verlässt niemand mehr vorzeitig den Raum.

    Ich glaube nicht, dass das im vorigen Beispiel beschriebene Problem schon einmal auf diese Weise gelöst wurde; die Sache ist also neu. Für den Dozenten und seine Kollegen ist sie nützlich. Jeder andere Dozierende hätte aber auch darauf kommen können, wenn er das Problem hätte kreativ lösen wollen.
    Für die individuelle Leistung in der täglich verfügbaren Kreativität ist es aber auch gleichgültig, ob jemand anders auf der Welt auch schon mal so etwas gemacht hat: Jedenfalls ist die Vorgehensweise im gegebenen Moment für den Dozenten neu und nützlich.

    Als die Möglichkeiten, Computer und ihre Programme einzusetzen, für die Nutzer größer wurden, gestaltete Friedrich seine eigene Visitenkarte. Er kam auf die Idee, ein Porträt von sich in die Karte einzubinden. Er selbst hatte solche Karten noch nie gesehen, aber es gab sie schon seit etlichen Jahrzehnten: Man kannte schon kurz nach der Erfindung der Fotografie die »carte de visite« mit Porträt. Dennoch war es ja für Friedrich eine »Erfindung«, die er in eine kreative Leistung umsetzte.

    Auch was die »Nützlichkeit« angeht, kann es Abstufungen geben. Im Alltag reicht es ja aus, wenn die kreative Leistung nur für ihren Urheber nützlich ist.

    Claudias Chefin hatte es sich angewöhnt, sich bei Besprechungen auf deren Schreibtisch zu setzen. Der gefiel das gar nicht, weil sie dann auf das breite Hinterteil ihrer Chefin blicken musste. Sie überlegte sich, was sie tun könnte, und hatte einen Einfall: Vor der nächsten Besprechung verteilte sie auf dem Schreibtisch unauffällige winzige Butterstückchen, die aber auf jeden Fall auf der Hose der Chefin Flecken hinterlassen mussten. Nach wenigen Malen gab die Chefin die Vorliebe für den Sitzplatz auf dem Schreibtisch auf. Das war also eine innovative Maßnahme (eine List), die nur für Claudia nützlich war.

    Nun werden die Leser wahrscheinlich merken, dass sie selbst auch schon einige Male »kreativ« waren. Es kann sogar nützlich sein, sich eigene aktive kreative Werke oder auch ein eher passives Einlassen auf Neues einmal ins Gedächtnis zu rufen. Die kreative Fähigkeit, die Sie schon haben, können Sie nämlich – wenn Sie es nur wollen – wachsen lassen.
    Ist nun fast alles, was wir tun, »kreativ«? Nein, es muss z.B. nicht »kreativ« sein, wenn man irgendetwas im Leben ändert.

    Als sich bei Ernst die Arthrose in den Knien verschlimmert hatte, erinnerte er sich, dass er früher Schuhe mit weicher, federnder Sohle getragen hatte. Das führte er nun wieder ein. Das war zwar nützlich, aber nicht neu, weil er diese Schuhe ja schon kannte.

    Das Wort Kreation bedeutet auch »Erschaffung«. Gott hat seine »Kreaturen« erschaffen. Diese waren natürlich radikal neu und nützlich. Wenn man aber etwas erschafft, was es schon gibt, wenn also z.B. der Bäcker Brötchen »erschafft«, hat das mit Kreativität nichts zu tun, obwohl die frisch gebackenen Brötchen vorher nicht da waren und auch nützlich sind. Zu unterscheiden ist hier zwischen »war vorher nicht da« und »neu« im Sinne von innovativ/originell . (Wenn der Bäcker für die Brötchen aber ganz neue Formen findet, wie z.B. vor Jahren ein Bäcker in Bonn, der Brötchen in Form von Männlein und Weiblein buk, dann ist er kreativ.)
Kategorien der Kreativität
    Wenn man Erfindungen und Entdeckungen genauer betrachtet, kann man einige Kategorien der Innovation unterscheiden:
Ein neuer Möglichkeits-Raum eröffnet sich durch vorausgegangene Erfindungen . Als das Mikroskop erfunden war, konnte Robert Koch (1843 – 1910) die Tuberkelbazillen entdecken und den Milzbranderreger in Kultur vermehren (als Entdecker gilt Aloys Pollender).
Ein Widerspruch, eine Anomalie reizt zum Nachdenken . Johannes Kepler beobachtete, dass die Bahnen der Planeten nicht exakt kreisförmig
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