Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Philadelphia Blues

Philadelphia Blues

Titel: Philadelphia Blues
Autoren: Mathilda Grace
Vom Netzwerk:
zurückziehen. Von wegen, die erste Zeit würde die Einfachste werden, weil Kilian sich erstmal in Ruhe bei ihm eingewöhnen musste. Das und noch viel mehr hatte die Psychologin vom Jugendamt ihm erzählt, als sie mit der für Kilians Fall zuständiger Betreuerin seine Wohnverhältnisse geprüft hatte. Entweder hatte die Frau von Tuten und Blasen keine Ahnung, oder Kilian war irgendein seltsamer Sonderfall. Sein Neffe trauerte nämlich weder um seine verstorbene Mutter, noch hatte er sich zurückgezogen oder gewöhnte sich ein. Ganz im Gegenteil, denn Colin hatte viel mehr das Gefühl, dass Kilian die meisten Streits in voller Absicht anfing, um auszutesten wie weit er gehen konnte. In Gesellschaft von Devin und dessen Eltern führte er sich nämlich nie so auf, wie wenn sie allein waren.
    Und das war eine Sache, die Colin mittlerweile tierisch ärgerte. Mit sämtlichen Felcons verstand sich Kilian gut, während er selbst für seinen Neffen zum bösen Wolf mutiert war. Aus welchem Grund auch immer. Dabei tat er alles für diese undankbare Göre. Er hatte sich sogar damit arrangiert, nicht mehr ständig bei Devin zu Hause zu sein oder sich weiter mit Mikael zu treffen. Alles nur damit Kilian in ihm den Ansprechpartner hatte, den das Jugendamt von ihm verlangte. Wenn das so weiterging, fing er noch an bunte Socken zu stricken, genau wie diese Oma im Fernsehen gestern. Das musste man sich mal geben. Er sah sich Talkshows an. Das hatte er vorher nie gemacht. Colin widerstand dem Drang nur mühsam, seinen Kopf gegen die Hauswand zu schlagen.
    Es war jetzt Ende April. Im Mai hatte Devin Geburtstag und darauf hätte Colin sich normalerweise bereits gefreut, weil Devin und er diesen Tag immer in irgendwelchen Bars oder Clubs verbrachten und erst am frühen Morgen nach Hause kamen. Dieses Jahr würde es nicht mal eine Party geben, weil er Kilian da hatte und Devin zu seinem Bruder Dominic nach Cape Elizabeth fliegen würde. Im Normalfall wäre Colin vielleicht sogar mitgeflogen, aber im Moment war er so genervt von der Situation, dass er sich nicht einmal über Dominics Einladung für Devin freuen konnte.
    „Lass ihm Zeit, McDermott“, riss ihn Adrians resolute Stimme aus seinen Gedanken. „Er ist gerade erst seit acht Wochen bei dir. Ihr werdet eine Weile brauchen, um euch zusammenzuraufen.“
    Weitere zwei Monate oder noch länger? Bis dahin hatte er sich von der nächsten Brücke gestürzt oder noch besser, Kilian von selbiger geschubst. „Ich habe nicht darum gebeten, ein Kind zu erben.“
    „Und Kilian hat nicht darum gebeten, mit fünfzehn seine Mutter zu verlieren“, konterte Adrian scharf, was Colin zusammenzucken ließ. „Du bist ein Leben mit ihm nicht gewöhnt und Kilian kein Leben mit dir. Ihr braucht Zeit, um euch aneinander zu gewöhnen. Ein neues Zuhause schafft man sich nicht in acht Wochen. Oder willst du ihn jetzt vielleicht doch lieber in ein Heim abschieben?“
    Das wusste Colin alles selbst, aber war es denn zu viel verlangt, mal einen Abend nicht zu streiten oder sich anzubrüllen? Was hatte Kilian bloß gebissen, dass er ständig wütend war? Ob er vielleicht doch darüber nachdenken sollte, den Jungen in ein Heim abzugeben? Ein guter Vormund war er jedenfalls nicht, sonst würde Kilian ihn kaum immerzu angiften. Allerdings hätte er sich dann sein Versagen eingestehen müssen und das kam für Colin nicht in Frage. Er war nicht bereit, Kilian einfach so aufzugeben. Das hatte er mit Devin nach dessen schwerem Unfall damals schließlich auch nicht gemacht.
    Colin seufzte leise. „Nein, das will ich nicht.“
    „Dann eben zu seinem Vater“, war Adrians nächster Vorschlag, der Colin die Stirn runzeln ließ.
    „Bitte? Der Penner hat Gwen sitzenlassen, als er erfuhr, dass sie Kilian bekommt. Er hat sich nie für den Jungen interessiert.“
    „Bleiben noch deine Eltern.“
    Wollte der Anwalt ihn verarschen, oder was? „Eher verrecke ich.“
    „Das dachte ich mir“, erklärte Adrian hörbar amüsiert und da ging Colin auf, dass er gerade hochkant reingelegt worden war.
    „Dom hat Recht. Du bist ein Arschloch.“ Adrians Antwort bestand aus Gelächter, was Colin gegen seinen Willen Grinsen ließ. „Klappt das eigentlich immer?“
    „Meistens“, antwortete Adrian. „Und solange es funktioniert, kann ich auch damit leben, als Arschloch betitelt zu werden. Kilian und du braucht übrigens dringend eine Pause voneinander, das ist dir bewusst, oder?“
    Ja, den Gedanken hatte Colin auch schon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher