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Philadelphia Blues

Philadelphia Blues

Titel: Philadelphia Blues
Autoren: Mathilda Grace
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jetzt 'ne Kippe für mich, oder nicht?“

- 1. Kapitel -

    „Du hast ihm die Zigarette verweigert, hoffe ich.“
    Devin klang am anderen Ende der Leitung so entrüstet, dass Colin ungewollt lachen musste, obwohl ihm eigentlich zum Heulen zumute war. Seine kleine Schwester war tot. Gestorben bei einem schweren Autounfall. Und sie hatte ihren Sohn, seinen Neffen, zu ihm in die USA geschickt, damit er sich um Kilian kümmerte. Colin hatte es im ersten Moment nicht geglaubt. Er hatte gedacht, Kilian wäre von zu Hause abgehauen und würde ihm bloß eine Lüge auftischen. Er hatte es solange geglaubt, bis ihm die unterdrückten Tränen in Kilians Augen aufgefallen waren. Das war jetzt knapp zwei Stunden her, die Colin gebraucht hatte, um den ersten Schock zu verdauen, Kilian in die Wanne zu stecken, ihm etwas zu essen zu machen und dann dafür zu sorgen, dass sein Neffe ins Bett kam.
    „Das ist nicht witzig. Er ist erst fünfzehn.“
    „Und damit alt genug, um zu rauchen, Alkohol zu trinken, Sex zu haben und Drogen zu nehmen“, konterte Colin und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, als Devin schnaubte. „Ich sage doch nur, wie es ist.“
    „Das solltest du lieber nicht gegenüber Mum erwähnen, du weißt, wie sie über Drogen jeglicher Art denkt.“
    „Sie hasst das Zeug, genauso wie du, seit du trocken bist“, sagte Colin lässig und fragte sich im nächsten Augenblick, woher er die Ruhe dafür nahm.
    „Wie kannst du bei der Situation noch Witze reißen?“
    Colin lehnte sich seufzend auf der Couch zurück. Witze? Er machte keine Witze. „Hörst du mich lachen, Devin? Habe ich in den dreißig Minuten, die wir miteinander reden, auch nur ein Anzeichen in der Richtung gemacht?“
    „Scheiße“, murmelte Devin am anderen Ende und Colin nickte.
    „Ja, so kann man es auch ausdrücken.“
    „Aber...“ Devin hielt inne und räusperte sich. „Versteh das nicht falsch, aber das ist Wahnsinn. Deine Schwester kann dir doch nicht einfach ihren Sohn ver... Ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll.“
    „Mir geht’s nicht anders“, gab Colin zu und starrte auf den Wust an Papieren vor sich auf dem Couchtisch. „Aber ich habe es schwarz auf weiß und die Papiere sind echt, soweit ich das beurteilen kann als Laie. Gwens Testament, das Schreiben vom zuständigen Jugendamt in Irland, die Abtrittserklärung meiner Eltern... Ich habe es hier vor mir zu liegen. Ich brauche nur unterschreiben, dass ich Kilian bei mir aufnehme und schon geht die Sache ans zuständige Jugendamt in Philadelphia, die dann prüfen, ob er wirklich hier leben kann.“
    Und das war etwas, das Colin einfach nicht begriff. Da starb eine Frau, hinterließ ein minderjähriges Kind und niemand kümmerte sich darum? So schien es Colin momentan zumindest, denn wie sollte er sich sonst erklären, dass Kilian offenbar ohne Begleitung hierher geflogen war. Wie war so etwas möglich? Wofür gab es eigentlich in den meisten zivilisierten Ländern so etwas wie Kinderschutz? Auch Irland hatte Jugendämter, die für solche Fälle zuständig waren. Er war vorher nicht einmal angerufen worden, dass Kilian auf dem Weg zu ihm war. Dass seine Eltern ihn nicht über Gwens Tod informiert hatten, wunderte ihn nicht sonderlich, aber das sich offenbar kein Behördenmitarbeiter für Kilian zuständig gefühlt hatte, entsetzte Colin.
    „Mein Gott, er ist ihr Enkel. Wie können deine Eltern ihn einfach abschieben und aus seinem bisherigen Umfeld reißen. Schlimm genug, dass seine Mutter tot ist, aber jetzt auch noch das?“ Devin war hörbar sauer. „Dass sie sich einen Dreck um dich kümmern, bin ich ja schon gewöhnt, aber Kilian ist ein Kind. Ich hätte zumindest in der Hinsicht etwas Anstand von ihnen erwartet.“
    „Sie wissen vermutlich nicht mal, wie man dieses Wort schreibt“, meinte Colin verbittert und schüttelte anschließend den Kopf. Das gehörte jetzt nicht hierher. Der Bruch mit seinen Eltern war lange her und er würde daran auch nicht rütteln. Er hatte sich damals freiwillig dazu entschieden, das Land zu verlassen, aber ihn wurmte, dass sie ihren eigenen Enkel zu ihm abschoben, warum auch immer. „Lassen wir das. Ist besser so.“
    Devin schwieg kurz. „Es tut mir so leid wegen Gwen.“
    Colin lächelte gequält. „Mir auch. Danke, Dev.“
    „Wo ist der Junge jetzt?“
    Colin lauschte kurz in den Flur. „Oben im Gästezimmer und schläft hoffentlich. Ich habe zwar kein Wort mehr aus Kilian rausgekriegt, aber außer einer Tasche mit
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