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Pferdesommer mit Lara

Pferdesommer mit Lara

Titel: Pferdesommer mit Lara
Autoren: Ursula Isbel
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er wäre längst verloren gegangen, doch jemand musste ihn aufbewahrt haben, jemand, den wir nicht kannten und der nur darauf gewartet hatte, das alles hier zu Geld zu machen.
    Durch die zerbrochenen Scheiben klang Hundegebell. Ich hörte eine Stimme etwas rufen. Jemand lachte. Dann schob sich eine semmelblonde Nase durch den Türspalt. Ein Kopf mit Schlappohren folgte.
    Rasch duckte ich mich tiefer hinter die Buchsbäume, die nach Katzenpisse rochen. Wieder rief die helle Stimme einen Namen, es klang wie »Connie« oder »Bonnie«. Der Hund, ein Labrador-Mischling, wedelte mit dem Schwanz und sprang mit ein paar Sätzen die Treppe hinunter, verschwand zwischen den Büschen und stand dann plötzlich neben mir.
    Wie dem bösen Wolf im Märchen hing ihm die Zunge aus dem Maul, aber seine Augen waren freundlich, und sein Schwanz wedelte, was ich als Friedenszeichen verstand.
    »Psst!«, zischte ich ihm zu. »Bitte sei still! Verrat mich bloß nicht, hast du kapiert?«
    Er antwortete mit einem noch heftigeren Wedeln und einem kurzen, auffordernden Bellen. Es klang wie: He, was machst du da? Komm raus und spiel mit mir …
    »Hau ab!«, flüsterte ich. »Ich kann dich jetzt nicht brauchen. Mach die Flatter!«
    Wieder bellte er. Beschwörend legte ich den Zeigefinger an die Lippen. Vom Vorplatz des Hauses her rief eine Stimme: »Was ist los, Bonnie? Ich glaube, er hat einen Igel aufgestöbert! - Komm sofort zurück, verstanden?«
    Bonnie spitzte die Ohren, rührte sich aber nicht von der Stelle. Ich drehte mich wieder um und spähte zwischen den Buchsbäumen durch. Unter dem Vordach stand ein junger Typ mit kurz geschnittenen blonden Haaren. Er hielt eine Hand schützend über die Augen und spähte in den Garten. Dann kam er die Treppe herunter.
    Jetzt war es höchste Zeit für mich zu verschwinden. Ich versuchte, mich geduckt davonzuschleichen, doch der Hund, der Bonnie hieß, schien das als Aufforderung zum Spiel zu betrachten. Er sprang bellend um mich herum, wobei er seine Vorderpfoten tapsig durch die Luft schleuderte. Hinter mir raschelte es verdächtig im Gebüsch.
    »Verdammt!«, sagte die Stimme. »Da wachsen Brennnesseln … Bonnie, zum Teufel, was machst du? Hast du einen Igel gefunden? Lass den armen Kerl bloß in Ruhe!«
    Ich zwängte mich an dem Labrador vorbei, um mich im hohlen Stamm der Weide zu verstecken, da, wo Ronja und ich als Kinder so gern gespielt hatten. Gerade noch rechtzeitig, ehe der blonde Typ aus den Schilfgräsern auftauchte, flüchtete ich mich in den hohlen Baum, duckte mich, drückte das Gesicht an die Innenseite des Stammes und hoffte, dass er mich nicht sehen würde.
    Wenn Bonnie nicht gewesen wäre, hätte er mich wohl auch nicht entdeckt. Ich hörte den Hund leise knurren, hörte, wie der Junge mit ihm redete und wie Zweige unter seinen Füßen knackten.
    Der Schreck fuhr mir richtig in die Glieder, als plötzlich eine Stimme ganz in meiner Nähe sagte: »Hallo, was machst du denn hier?«
    Sekundenlang stellte ich mich tot wie ein bedrohter Käfer. »Hallo!«, sagte die Stimme wieder. »Bist du in Ordnung?«
    Ich wandte den Kopf und hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst. Was musste dieser Junge von mir denken, dass ich mich vor ihm in einen Baum verkroch wie ein lichtscheuer Zwerg?
    Er stand vor mir, hatte seinen Hund am Halsband gefasst und musterte mich mit einem verwunderten Ausdruck in den braunen Augen. Seine Stirn war gerunzelt. Er hatte einen Sonnenbrand auf dem Nasenrücken.
    Das alles sah ich innerhalb von Sekundenbruchteilen. Dann sagte ich etwas, was ich gleich darauf bereute, weil es total kindisch war und nicht zu einer fast erwachsenen Person von sechzehn Jahren passte: »Hau bloß ab, verschwinde! Ihr gehört nicht hierher!«

3
    Später dachte ich noch oft, dass er wirklich cool reagiert hatte.
    Ich an seiner Stelle wäre beleidigt gewesen, hätte mich umgedreht und ihm ewige Feindschaft geschworen. Er aber sah mich nur ruhig an und sagte, als hätte er alles verstanden: »Du kannst rauskommen. Keiner will dich vertreiben.«
    Damit nahm er mir allen Wind aus den Segeln. Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte, ärgerte mich, weil er so gelassen blieb, dass ich mich so blödsinnig verhalten hatte, und auch darüber, dass mir der Ausdruck seiner warmen braunen Augen gefiel.
    So würdevoll wie möglich kletterte ich aus dem Baum. Bonnie versuchte, an mir hochzuspringen, aber der Junge hielt sie zurück.
    Jetzt lächelte er sogar. In diesem Moment wünschte ich, er
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