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Pfand der Leidenschaft

Titel: Pfand der Leidenschaft
Autoren: Lisa Kleypas
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reden hören. Die Sprache der Zigeuner klang fremdartig, war voller Konsonanten und langgezogener Vokale, und dennoch fügte eine sonderbar angenehme Melodie die Wörter zu einem wohlklingenden Ganzen zusammen.
    Rohan lehnte mit der Schulter gegen den Türrahmen und starrte Merripen eindringlich an. »Die alte
Sprache«, sagte er schließlich. »Ich habe sie schon seit Jahren nicht mehr gehört. Wer ist das Oberhaupt deiner Sippe?«
    »Ich habe keine Sippe.«
    Mehrere Sekunden verstrichen, während denen Merripen seinen unergründlichen Gesichtsausdruck beibehielt.
    Rohans haselnussbraune Augen verengten sich zu Schlitzen. »Kommt herein. Ich werde sehen, was ich tun kann.«
    Ohne viel Aufhebens wurden sie in den Club geführt. Rohan wies einen Angestellten an, sie zu einem privaten Salon im ersten Stock zu bringen. Lautes Stimmengewirr und gedämpfte Musik waren zu hören, dann Schritte, die hastig auf- und abschritten. Es war ein geschäftiges Treiben der Männlichkeit, das zu erleben für jemanden wie Amelia eigentlich streng verboten war.
    Der Angestellte, ein junger Mann mit einem Londoner East End-Akzent und höflichen Umgangsformen, führte sie in ein prächtig eingerichtetes Zimmer und bat sie, dort auf Rohan zu warten. Merripen ging ans Fenster, das auf die King Street zeigte.
    Amelia war überrascht von dem schlichten Luxus des Salons: die blau- und cremefarbenen Töne des handgeknüpften Teppichs passten wunderbar zu der holzvertäfelten Wand und den mit Samt bezogenen Sitzmöbeln. »Wie elegant«, bemerkte sie, nahm ihre Haube ab und legte sie auf einen kleinen Mahagonitisch mit Klauenfüßen. »Aus irgendeinem Grund habe ich es mir anders vorgestellt … nun ja … protzig und geschmacklos.«
    »Jenners ist nicht gerade das typische Durchschnitts-Etablissement.
Es tarnt sich als Club, beherbergt aber in Wirklichkeit die größte Spielbank Londons.«
    Amelia ging zum Bücherregal und besah sich die Bände mit prüfendem Blick, während sie gespielt uninteressiert fragte: »Warum hat sich Mr. Rohan wohl derart gesträubt, das Geld von Lord Selway anzunehmen?«
    Merripen warf ihr einen bitteren Blick über die Schulter zu. »Du weißt, was wir Roma von materiellem Besitz halten.«
    »Ja, ich weiß, dass dein Volk nur ungern in der Schuld anderer steht. Aber aus meiner Erfahrung habe ich gelernt, dass Roma nicht abgeneigt sind, als Gegenleistung für ihre Dienste ein paar Münzen zu nehmen.«
    »Es ist mehr, als nur ungern in der Schuld anderer zu stehen. Ein Chal , der eine solche Stellung innehat …«
    »Was ist ein Chal ?«
    »Der Sohn eines Roma. Ein Chal , der solch teure Kleidung trägt, so lange unter einem Dach lebt, derart viel Geld erwirtschaftet … Ein solches Leben ist beschämend. Eine Demütigung. Widerspricht seiner Natur.«
    Merripen wirkte so ernst und von sich selbst überzeugt, dass Amelia der Versuchung einfach nicht widerstehen konnte, ihn ein wenig aufzuziehen. »Und was ist deine Entschuldigung, Merripen? Du lebst nun schon seit einer Ewigkeit mit uns Hathaways zusammen.«
    »Das ist etwas anderes. Zum einen lasse ich mich nicht bezahlen …«

    Amelia lachte.
    »Und zum anderen …« Merripens Stimme wurde weicher. »Verdanke ich deiner Familie mein Leben.«
    Amelia spürte, wie eine Welle der Zuneigung sie überrollte, als sie in seine versteinerte Miene sah. »Du bist ein Spielverderber«, sagte sie sanft. »Ich versuche, dich ein wenig zu ärgern, und du zerstörst den Moment mit deiner wundervollen Aufrichtigkeit. Du weißt, dass du nicht verpflichtet bist, bei uns zu bleiben, mein lieber Freund. Du hast alles tausendfach zurückgezahlt.«
    Merripen schüttelte vehement den Kopf. »Genauso gut könnte ich ein Nest mit kleinen Küken verlassen, um das ein hinterlistiger Fuchs schleicht.«
    »Wir sind keineswegs hilflos«, entrüstete sie sich. »Ich bin durchaus fähig, mich um meine Familie zu kümmern … ebenso wie Leo. Wenn er nüchtern ist.«
    »Und wie häufig ist das der Fall?« Seine ausdruckslose Stimme verstärkte nur den Sarkasmus in seiner Frage.
    Amelia wollte schon den Mund öffnen, um ihm eine bissige Antwort entgegenzuschleudern, fühlte sich dann aber gezwungen, ihn wieder zu schließen. Merripen hatte Recht – Leo war durch die vergangenen sechs Monate in einem Zustand des immerwährenden Rausches geschwebt. Sie glitt mit der Hand zu ihrem Zwerchfell, wo eine drückende Sorge wie ein Sack Blei auf ihr lastete. Armer, bemitleidenswerter Leo – Amelia hatte
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