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Pfand der Leidenschaft

Titel: Pfand der Leidenschaft
Autoren: Lisa Kleypas
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sich entschlossen, diesen Umstand einfach zu akzeptieren.
    Während sein gleichgültiger Blick auf ihr ruhte, wusste Amelia genau, was er sah: eine Frau mit unscheinbarer Kleidung und praktischem Schuhwerk. Sie war weder besonders groß noch klein, hatte helle
Haut, dunkles Haar, rosige Wangen und einen gesunden Teint, der allen Hathaways zu eigen war. Obwohl sie recht schlank war, hatte sie sinnliche Rundungen und entsprach nicht dem gängigen Schönheitsideal, das vorschrieb, dass eine Frau unter allen Umständen dürr, blass und zart sein musste.
    Ohne sich viel auf ihr Äußeres einzubilden, wusste Amelia doch, dass sie zwar keine beeindruckende Schönheit, allerdings ansehnlich genug war, um sich einen Ehemann zu angeln. Aber sie hatte ihr Herz einmal verschenkt, mit verheerenden Folgen. Sie hegte nicht den törichten Wunsch, es noch einmal zu versuchen. Und außerdem hatte sie alle Hände voll zu tun, den Rest der Hathaways im Zaum zu halten.
    Da sah Rohan weg. Ohne ein Wort oder auch nur ein Kopfnicken ging er zum Hintereingang des Clubs. Er schritt gemächlich, als gönne er sich den Luxus, in Ruhe über etwas nachzudenken. Seinen Bewegungen haftete eine gewisse ungezwungene Leichtigkeit an, und es machte den Anschein, als schwebte er geradezu.
    Amelia und er erreichten die Türschwelle genau im selben Moment. »Sir … Mr. Rohan … wenn ich mich nicht täusche, seid Ihr der Geschäftsführer des Clubs.«
    Rohan blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihr um. Sie standen nun nah genug beieinander, dass Amelia der männliche Geruch nach körperlicher Anstrengung und warmer Haut in die Nase stieg. Seine aufgeknöpfte Weste, die aus verschwenderisch teurem grauem Brokat geschneidert war, gab den Blick auf ein dünnes weißes Leinenhemd preis. Während Rohan damit beschäftigt war, die Weste zuzuknöpfen,
bemerkte Amelia mehrere Goldringe an seinen Fingern. Eine Woge der Nervosität erfasste sie, die eine bisher unbekannte Hitze in ihr weckte. Ihr Korsett fühlte sich zu eng an, ihr bis zum Hals geschlossener Kragen schnürte ihr schier die Kehle zu.
    Obwohl ihr die Schamesröte ins Gesicht schoss, zwang sie sich, ihn direkt anzusehen. Er war ein junger Mann, noch nicht dreißig, mit dem Antlitz eines exotischen Engels. Sein Gesicht war zweifelsohne schön … ein nachdenklicher Mund, ein kantiges Kinn, haselnussbraune Augen mit einem Stich Gold, die von langen, dichten Wimpern beschattet wurden. Seidig schwarze Locken fielen ihm in den Nacken. Amelias Puls setzte für einen Herzschlag aus, als sie das Glitzern eines Diamanten an seinem Ohrläppchen sah.
    Rohan bedachte sie mit einer formvollendeten Verbeugung. »Zu Euren Diensten, Miss …«
    »Hathaway«, sagte sie betont deutlich, wandte sich dann um und zeigte auf ihren Begleiter zu ihrer Linken. »Und das ist Merripen.«
    Rohan warf dem Jungen einen kurzen, wachsamen Blick zu. »Das Wort für ›Leben‹ und gleichzeitig ›Tod‹ in der Sprache der Roma.«
    Das also bedeutete Merripens Name? Überrascht sah Amelia zu ihm hinüber. Merripen zuckte kaum merklich mit den Schultern, als wollte er ausdrücken, dass es völlig belanglos sei. Sie drehte sich wieder zu Rohan um. »Sir, wir sind hier, da wir Euch ein oder zwei Fragen in Bezug auf …«
    »Ich mag keine Fragen.«
    »Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder, Lord Ramsay«, fuhr sie hartnäckig fort, »und benötige jegliche
Information, die Ihr über seinen Aufenthaltsort habt.«
    »Den würde ich Euch nicht verraten, selbst wenn ich ihn wüsste.« Sein Akzent war eine Mischung aus Cockney, etwas Fremdartigem und einem Hauch von gehobener Aristokratie. Es war die Stimme eines Mannes, der mit einer Vielzahl an unterschiedlichen und ungewöhnlichen Menschen verkehrte.
    »Ich versichere Euch, Sir, ich würde weder meine Wenigkeit noch sonst jemandem Umstände bereiten, wäre es nicht von größter Wichtigkeit. Aber das ist der dritte Tag, an dem wir nichts von meinem Bruder gehört haben …«
    »Nicht mein Problem.« Rohan drehte sich zur Tür um.
    »Er neigt dazu, sich mit schlechter Gesellschaft zu umgeben.«
    »Das ist Pech.«
    »Er könnte tot sein.«
    »Ich kann Euch nicht weiterhelfen. Ich wünsche Euch viel Glück bei Eurer Suche.« Rohan schob die Tür auf und betrat den Club.
    Als Merripen ihn aber in der Sprache der Roma anredete, verharrte Rohan mitten in der Bewegung.
    Seit Merripen bei den Hathaways wohnte, hatte es nur wenige Gelegenheiten gegeben, an denen Amelia ihn auf Romani hatte
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