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Pfand der Leidenschaft

Titel: Pfand der Leidenschaft
Autoren: Lisa Kleypas
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Hathaway von einer kompromisslosen Zuversicht in ihre Fähigkeiten erfüllt und glaubte, alles um sie herum allein regeln zu können. Cams gewöhnliche Reaktion auf diese Sorte Frau bestand darin, in die entgegengesetzte Richtung
zu fliehen. Als er jedoch in ihre hübschen blauen Augen gesehen und das winzige entschlossene Stirnrunzeln bemerkt hatte, hatte ihn das ruchlose Verlangen übermannt, sie zu schnappen, wegzutragen und etwas sehr Wildes mit ihr anzustellen. Etwas geradezu Barbarisches.
    Natürlich hatten solch unzivilisierte Begierden schon immer zu nah an der Oberfläche seines Bewusstseins gelauert. Und im vergangenen Jahr war es Cam immer schwerer gefallen, sie im Zaum zu halten. Er war ungewöhnlich aufbrausend, ungeduldig und reizbar geworden. All jene Dinge, die ihm früher einmal Freude bereitet hatten, genügten ihm nun nicht mehr. Am schlimmsten war, dass er seinem sexuellen Verlangen nur noch halbherzig nachgab und ebenso wenig Begeisterung darin fand wie in allem anderen.
    Weibliche Bekanntschaften zu schließen, war ihm nie schwergefallen – Cam hatte stets Erlösung in den berauschenden Armen williger Frauen gefunden und ihre Gefälligkeiten mit derselben Hingabe zurückgezahlt, bis sie sich vor Zufriedenheit aufbäumten. Heutzutage übten diese Frauen jedoch keinerlei Reiz mehr auf ihn aus. Es gab keine Begierde, kein Feuer, keinen Funken, der übersprang, sondern lediglich die Befriedigung eines körperlichen Bedürfnisses, ähnlich wie Schlafen oder Essen. Cam war so besorgt gewesen, dass er seinen Stolz hinuntergeschluckt und seinen Arbeitgeber, Lord St. Vincent, in seine Sorgen eingeweiht hatte.
    Einst ein berühmt-berüchtigter Schürzenjäger, hatte sich St. Vincent zu einem außergewöhnlich treuen Ehemann gewandelt und wusste besser über diese
Art von Dingen Bescheid als jeder andere Mensch auf Erden. Als Cam ihn mürrisch gefragt hatte, ob eine Abnahme an körperlicher Lust naturgegeben sei, wenn ein Mann auf die dreißig zuschritt, hatte sich St. Vincent beinahe an seinem Brandy verschluckt.
    »Gütiger Himmel, nein!«, hatte der Viscount leicht hustend gerufen. Sie hatten sich in Cams Büro im Club getroffen und waren am späten Abend die Geschäftsbücher durchgegangen.
    St. Vincent war ein attraktiver Mann mit weizenfarbenem Haar und blassblauen Augen. Einige Stimmen behaupteten, er besäße den prächtigsten Körper und die schönsten Gesichtszüge in ganz London. Das Aussehen eines Heiligen, die Seele eines Halunken. »Darf ich fragen, welche Sorte Frau du bisher bevorzugt hast?«
    »Was meinst du damit, welche Sorte Frau?«, hatte Cam vorsichtig nachgehakt.
    »Wunderschön oder unscheinbar?«
    »Wunderschön, würde ich sagen.«
    »Nun, und genau das ist dein Problem«, sagte St. Vincent in nüchternem Ton. »Unscheinbare Frauen sind viel angenehmer. Es gibt kein besseres Aphrodisiakum als Dankbarkeit.«
    »Dennoch hast du eine wunderschöne Frau geheiratet.«
    Ein feines Lächeln umspielte St. Vincents Lippen. »Bei Ehefrauen liegt die Sache natürlich völlig anders. Man muss einen ungeheuer großen Aufwand um sie betreiben, aber die Belohnung ist unvergleichlich. Ich kann dir Ehefrauen nur sehr empfehlen. Besonders die eigene.«
    Cam hatte seinen Arbeitgeber mit unverhohlener
Verärgerung angestarrt. Immerhin endeten ernste Gespräche mit St. Vincent meist in einem verbalen Schlagabtausch, den insbesondere der Viscount genoss. »Wenn ich dich richtig verstehe, Mylord«, hatte Cam kurz angebunden erwidert, »lautet dein Ratschlag gegen meine fehlende Begierde, hässliche Frauen zu verführen?«
    St. Vincent nahm eine silberne Schreibfeder zur Hand, schob geschickt eine Spitze in das Ende und tauchte sie in ein Tintenfass. »Rohan, ich gebe mein Bestes, um dein Problem nachzuvollziehen. Es ist nur so, dass ich diese Art von Unlust nie am eigenen Leib erlebt habe. Ich müsste auf meinem Totenbett liegen, bevor ich keinerlei Begierde mehr verspüren würde – nein, vergiss es, vor nicht allzu langer Zeit schlug beinahe mein letztes Stündchen, und selbst damals hatte ich ein brennendes Verlangen nach meiner Frau.«
    »Herzlichen Glückwunsch«, hatte Cam gemurmelt und jegliche Hoffnung aufgegeben, jemals eine ernste Antwort aus diesem Mann herauskitzeln zu können. »Wir sollten uns jetzt wieder ums Geschäftliche kümmern. Es gibt wichtigere Dinge als unser Liebesleben.«
    St. Vincent kritzelte eine Zahl auf ein Blatt Papier und legte die Feder zurück auf den Halter. »Nein,
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