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Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers

Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers

Titel: Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
Autoren: Thomas Lötz , Peter Neururer
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werden kann. Nach erledigter Mission geht es für die Spieler zum feuchtfröhlichen Mannschaftsabend, weil allen ja klar ist, dass am kommenden Tag nicht gespielt werden kann. Neururer ist nicht dabei, er ist nach Hause gegangen, kann aber wegen des anhaltenden Regens zunächst nicht einschlafen.
    Am Morgen wird er vom Klingeln seines Telefons geweckt. Die Nachricht ist kurz: Das Spiel findet statt. Neururer ist irritiert, und er kann sich auch nicht vorstellen, dass Schiedsrichter Wolfgang Holst sein Plazet zur Durchführung der 90 Minuten gegeben hat. Die Bedingungen, unter denen das Halbfinale der WM 1974 zwischen Deutschland und Polen, die berüchtigte »Wasserschlacht von Frankfurt«, stattgefunden hatte, erscheinen Neururer jedenfalls als geradezu ideal im Vergleich zu jenem Zustand, in dem sich der Platz auf dem Tivoli an diesem Tag präsentiert.
    Neururer ruft seine Spieler an und informiert sie: Wir spielen heute. Die Reaktion der Spieler: schiere Ungläubig-keit.
    Als beide Mannschaften im weiterhin strömenden Regen auf dem Feld stehen, kann es Neururer immer noch nicht fassen. Der Tivoli abgesoffen, und hier soll heute also jenes Spiel stattfinden, in dem es um seine Zukunft als Trainer der Alemannia geht? Die Sorge um den Arbeitsplatz erweist sich schnell als unbegründet.
    Neururers dezimierte und vom Vorabend teilweise doch recht angeschlagene Mannschaft zeigt an diesem Nachmittag einen unfasslichen Spirit. Sie will das Spiel, das eigentlich nicht stattfinden darf, vor lächerlichen 1200 Zuschauern gewinnen - für ihren Trainer. Das System, das sich die Truppe ausgedacht hat, ist schlicht: Sie lassen die Meppener kommen, den Rest erledigt »Delze«.
    Günter Delzepich, ein Kühlschrank von einem Mann, der für das Schusstraining Medizinbälle nutzt und über den härtesten Wumms in ganz Deutschland verfügt, ist gegen Meppen letzter Mann. Delzepich haut die abgefangenen Bälle 80 Meter weit über alles Wasser hinweg in die gegnerische Hälfte. Dort verwerten Zimmermann und Peter Sendscheid zwei Bälle zu Toren, den Treffer zum 3:0 besorgt »Delze« in der 90. gleich selbst. Aachen schlägt Meppen, Neururer bleibt im Job, einigen Club verantwortlichen missfallt das. Mannschaft und Trainer schweißt das Durchlebte gleichwohl nur noch fester zusammen. Daran kann auch die folgende 1:3-Niederlage im Nachholspiel bei Wattenscheid 09 nichts ändern, mit der man sich - genau wie im Jahr zuvor - in die Winterpause verabschiedet.
    Doch die Neururer-Gegner im Club lassen nicht locker, für sie kommt die nächste Gelegenheit zur Trennung vom Trainer im ersten Spiel des Jahres 1989, zu dem der Tabellenführer Blau-Weiß 90 Berlin an den Tivoli reist.
    Vor der Partie lässt Aachens A-Jugend-Trainer Jupp Marti-nelli Neururer wissen, dass der Verein den Kader mit seinen 16 Spielern im Falle eines Aufstiegs nicht werde aufstocken können. Vier Neuzugänge aus der eigenen Jugend sind als »Verstärkungen« vorgesehen, die finanziellen Mittel fehlen. Neururer nimmt das zur Kenntnis, beschäftigt sich mit dem Thema allerdings erst mal nicht. Sein Vertrag läuft zum Saisonende aus, und im Moment muss er ohnehin erst mal zusehen, die Zweite Liga und seinen Job zu erhalten.
    Wieder ist es Egbert Zimmermann, der Neururer sagt, er solle sich mal keine Sorgen machen:
    »Wenn das Spiel in die Hose geht, Trainer, dann wird es einen Abbruch geben«, sagt Zimmermann zu Neururer.
    »Zimbo, bist du bescheuert, wie soll das denn gehen?«, will Neururer wissen.
    »Tja«, antwortet der Spieler lässig, »dann gibt es eine Bombendrohung am Tivoli.«
    »Bist du verrückt? Das kannst du doch nicht machen!«
    »Wir verlieren schon nicht«, sagt Zimmermann. »Im Zweifel wird das Spiel eben abgebrochen.«
    Tatsächlich sieht es an diesem Samstagnachmittag nicht so aus, als sollten die Gastgeber die Partie verlieren. Schon in der 8. Minute erzielt Dietmar Schacht das i:o, sechs Minuten später legt Frank Weber das 2:0 nach. Drei Minuten nach dem Wiederanpfiff besorgt derselbe Spieler das 3:0. Das Spiel ist entschieden.
    Nach etwa einer Stunde fällt Egbert Zimmermann ein, dass da ja noch die Sache mit der Bombendrohung läuft. Mitten im Spiel sprintet der Linksaußen urplötzlich vom Feld Richtung Spielertunnel, ab in die Umkleide und besorgt sich aus seiner Tasche 20 Pfennig. Vor der Umkleide befindet sich ein Münzfernsprecher. Zimmermann muss seinen Kumpel, den Bombendroher, anrufen und ihn anweisen, die Aktion zu stoppen. Danach läuft er
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