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Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Titel: Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
Autoren: Andreas Gruber
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Piercing stechen ließen. Doch trotz ihres wilden Aussehens war sie blitzgescheit und seit der ersten Klasse Vorzugsschülerin. Sonst hätte ihr Kurt die Eskapaden nie durchgehen lassen.
    »Tatjana und ich hatten eigentlich geplant, uns einen Familienabend mit dir zu gönnen. Es gibt Lasagne, und außerdem hat sie bei einem Bandwettbewerb eine Espressomaschine gewonnen, die macht sogar Cappuccino mit Vanillegeschmack.«
    »Scheußlich!«
    »Obendrein läuft heute Der dritte Mann im Fernsehen. He, mein Großer, Der dritte Mann!«
    Zwar überragte er Kurt um eine halbe Kopflänge, aber sein Bruder nannte ihn auch deshalb Großer, weil er der Ältere war. Hogart hatte es nie zu einer Familie und einem Haus gebracht, trotzdem war er in Kurts Augen immer noch der Erwachsenere von beiden, und daran würde sich wohl nie etwas ändern. »Verlockend, aber es geht nicht. Ich komme erst in vier Tagen zurück.«
    »Vier Tage? Das heißt, du bist morgen nicht auf dem Flohmarkt?«
    »Das bedeutet es!«
    »Übernimmt Conrad deinen Stand?«
    »Hab vergessen, ihn anzurufen!«
    »Hast du meine Edgar-Wallace-Filme schon verkauft?«
    »Wie denn, wenn ich in Prag bin?«
    »Schon klar, klingt nach Arbeit … Tatjana möchte wissen, worum es bei deinem Fall geht. Oder kannst du etwa im Moment nicht reden?« Kurt begann zu flüstern. »Hält dir jemand eine Knarre an den Kopf?«
    »Es geht um Ölgemälde.«
    »Du und Gemälde? Konnten die für den Job keinen anderen finden?«
    Hogart hörte, wie sie im Hintergrund kicherten.
    »Leute, ich muss Schluss machen, ich rufe an, wenn ich wieder zurück bin.« Er trennte die Verbindung.
    Der letzte gemeinsame Abend mit seinem Bruder lag bereits Monate zurück. Dieses Treffen mit Kurt und Tatjana hätte ihn möglicherweise für ein paar Stunden aus seinem Arbeitstrott gerissen und vor allem Eva vergessen lassen, die ihm ständig durch den Kopf spukte. Immer waren es Frauen, deretwegen man sich das Hirn zermarterte. Mittlerweile ging es seinem Bruder nicht anders. Kurt verstand sich mit seiner Tochter großartig, doch mit seiner Ehefrau gab es immer mehr Spannungen. Sabina war eine Perfektionistin, unerbittlich auf Ordnung und Harmonie bedacht. Schon die kleinste Normabweichung brachte sie aus dem Konzept. Ihrer Meinung nach war Tatjana im schwierigen Alter, aber in Wahrheit war Sabina zu verklemmt, um auch nur ansatzweise über Beziehungsprobleme zu reden. Hogart hatte längst aufgegeben, zu hinterfragen, was Kurt an Sabina fand. Er selbst verstand sich nicht gerade prächtig mit ihr - dafür sah er sie zu selten. Schließlich war sie nie dabei, wenn er sich mit Kurt und Tatjana an einem Freitagabend Schwarz-Weiß-Klassiker auf Arte ansah, sich in Tatjanas Zimmer die Demobänder ihrer Band anhörte oder um zehn Euro wettete, wer mehr Hamburger bei McDonald’s verdrücken konnte.
    Manchmal besuchte Tatjana ihn nach der Schule in seinem Büro im dritten Stock eines Altbaus, direkt unter seiner Wohnung, um in seinen Akten zu stöbern oder ihn über seine abgeschlossenen Fälle auszuquetschen. Seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr stand fest, dass sie nicht Lehrerin wie ihre Mutter, sondern Versicherungsdetektivin werden wollte - obwohl er ihr den Spleen seit Jahren auszureden versuchte. Sein Job war bei Weitem nicht so spannend und interessant, wie seine Nichte sich das vorstellte. Vielleicht musste er seine Fälle einfach nur langweiliger darstellen.
    Hogart dämpfte die Zigarette auf dem Balkongeländer aus. Die Arbeit rief. Solange die Dienstmädchen in den Zimmern noch die Betten richteten, wollte er seine Befragung fortführen. Frisch geduscht, in bequemen Jeans, Poloshirt und Sakko verließ er das Zimmer.
    Dem Barkeeper des Hotels war Sendling zweimal aufgefallen. Sie hatte noch weit nach Mitternacht allein an der Theke gesessen, gedankenverloren dem Geklimper des Pianisten gelauscht und sich einige trockene Martinis mit Oliven bestellt. Die Bedienung im Restaurant konnte sich ebenfalls an die Wienerin mit der roten Damenkrawatte erinnern. Eine derart imposante Frau vergaß man nicht so rasch. Schelling hatte stets gegen zehn gefrühstückt, ein paarmal im Hotel zu Abend gegessen und meistens einen Martini dazu getrunken. Sie war immer allein gewesen, hatte nie telefoniert, keine Nachrichten am Empfangstisch erhalten und war - außer von Taxis - kein einziges Mal vor dem Hotel abgeholt worden. Bei der Zimmerabrechnung waren lediglich eine Stunde Pay-TV von zwei bis drei Uhr morgens angefallen, eine
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