Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Titel: Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Autoren: Ralph G. Kretschmann
Vom Netzwerk:
der Scheiterhaufen.
    Elisabeth wusste auch, dass es gefährlich war, allein durch die Stadt zu laufen, und umso gefährlicher, wenn man eine junge Frau war! Niemand war sicher heutzutage. Was war das überhaupt, Sicherheit? Eine Illusion, die der Mensch sich macht, um überhaupt schlafen zu können, da ihm sonst das Wissen um die Gefahren der Welt den Schlaf rauben würde! So jung sie auch war, so tief waren manchmal ihre Gedanken. Rebekka hatte vom Vater lesen und schreiben gelernt und sie hatte dieses Wissen an Elisabeth weitergegeben. Es gab nur wenige Frauen ihres Standes, die diese Kunst beherrschten, und Elisabeth war nicht wenig stolz darauf, lesen und schreiben zu können.
    Auch das Rechnen hatte Rebekka sie gelehrt. Beim Kochen hatte sie so ganz nebenbei das Addieren und Multiplizieren, das Subtrahieren und Dividieren an ihre kleine Schwester weitergegeben: „Elisabeth, sei so lieb und gib mir drei von den fünf Rüben, ja? Wie viele haben wir denn dann noch?“ Ehe Elisabeth es sich versah, rechnete sie besser als mancher Kaufmann, und es war nicht im Geringsten eine Last oder gar Anstrengung dafür nötig gewesen.
    Elisabeth stand in der kalten Diele, den wollenen Schal doppelt um die Schultern geschlungen, und starrte durch das winzige Fenster, dessen Scheibe matt und wellig war. Glas war teuer und es gab nicht viele Handwerkerhäuser, die gläserne Fensterscheiben hatten. Die meisten hatten keine Fensterscheiben und wurden bei Kälte durch Läden verschlossen, so dass es im Inneren dunkel und stickig war. Einige Wenige hatten geölte Pergamenthäute in die Rahmen gespannt. Durch die konnte man zwar nicht hinaussehen, aber sie ließen wenigstens ein klein wenig Licht in die Räume.
    Die Scheibe beschlug immer wieder und Elisabeth musste ein ums andere Mal ihren Atem vom Glas wischen. Draußen herrschte Aufregung und Gendarmen und Militärs liefen durcheinander. Der Rat der Stadt hatte eine Ausgangssperre verhängt. Das machte ein Hinausgehen völlig unmöglich. Elisabeth seufzte und wischte erneut ihren kondensierten Atem vom Glas. Direkt vor ihrer Tür blieben zwei Soldaten stehen, um sich zu unterhalten. Das Dach hatte über dem Eingang eine Gaube, die weit über die Straße ragte und damit einen hervorragenden Schutz vor dem noch immer niederschwebenden Nieselregen bildete.
    „Schnaps!“, sagte der links stehende Soldat. „Das Einzige, was hilft! Ich besauf mich jeden Abend, Franz, und bin ich krank? Hä? Hab ich Pest? Da siehst du’s!“
    Der Rechte lachte. „Blödsinn, den du da redest. Ich trinke fast gar nicht und bin auch nicht krank geworden, und du willst doch wohl nicht behaupten, ich mach’ weniger gefährlichere Dinge als du?“
    „Will ich nicht, bei Gott, will ich nicht! Aber …“ Er unterbrach sich, um zu überlegen. „Vielleicht müssen wir’s abwarten, was meinst du? Wenn das hier rum ist, und irgendwann ist es das, so wie alles ein Ende hat früher oder später, dann sehen wir ja, wer dann noch lebendig ist! Ich für meinen Teil werd weiter saufen! So viel ist mal sicher!“ Beide lachten laut.
    „Was nutzt das, wenn dir ne Schlampe die Syphilis anhängt? Oder dir den Kopf abbeißt, wie dem armen Schwein, dem Apotheker!“
    „Du hast ihn doch mit rübergeschleppt zum Leichenschneider, isses wahr, dass die ihm den Hals durchgebissen hat?“, fragte der Linke neugierig.
    „Nicht abgebissen, aber reingebissen hat sie! Man konnte deutlich die Abdrücke von den Zähnen im Fleisch sehen, so wie der Kopf hin und her gewackelt ist beim Schleppen. Ich hab’s genau gesehen!“
    „Und die Alte hatte kein Gesicht? Is ja gruselig!“
    Elisabeth wäre vor Neugier am liebsten unter der Tür durchgekrochen, nur um besser hören zu können, was die Männer sprachen.
    „Da war nur Knochen, wo sonst die Augen und die Nase sind. Ich hab mal ne Leiche gesehen von nem Kupferschmied, der war besoffen in einen Bottich mit Säure gestürzt, und der hat ähnlich ausgesehen. Nur blutiger, irgendwie. Weiß der Deibel, wozu die so viel Säure brauchen. Na, selber Schuld gewesen, der versoffene Kerl!“
    Der Soldat sagte eine ganze Weile nichts, dann meinte er: „Weißt du, das Seltsamste war, dass beide, der Apotheker genau wie die Frau ohne Gesicht, dass beide nicht einen Tropfen Blut mehr im Körper hatten. Mann, ich bin seit 21 Jahren Soldat und ich hab ne Menge Tote gesehen und Blut gab’s da immer, so viel man wollte. Mal innen, mal außen, aber Blut ist immer da! Und da war nichts. Nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher