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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein
Autoren: Jan Zweyer
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unbedingt wissen, dass sich einer der ihm unterstehenden Beamten von Bos hatte aushalten lassen.
    »Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden, was diese Sache angeht.«
    »Selbstverständlich.«
    »Das wäre alles.«
    Saborski legte auf und ließ am anderen Ende der Leitung einen irritierten Kriminalhauptkommissar zurück.
    8
     
    Dienstag, 26. September 1950
     
    Die beiden Männer begrüßten sich ohne viele Worte. Einer von ihnen war groß gewachsen, trug sein volles Haar links gescheitelt und zog beim Gehen das rechte Bein infolge einer Verletzung etwas nach. Er trug trotz der milden Temperaturen einen Wintermantel, dessen Kragen hochgeschlagen war. Der in die Stirn gezogene Hut verlieh ihm ein verwegenes Aussehen.
    Der andere Mann war schlank, hatte ein spitzes Gesicht und einen stechenden Blick. Immer wieder fiel ihm eine dunkle Haarsträhne vor die Augen, die er fahrig beiseitestrich. Auch er trug einen Mantel, allerdings einen modischer geschnittenen als sein Begleiter.
    Sie kannten sich seit den Zwanzigerjahren. Sie hatten gemeinsam studiert, waren dann später als Studenten in die NSDAP eingetreten, machten als Juristen im nationalsozialistischen Deutschland Karriere: der eine als Mitarbeiter des Referats IV B 4 im Reichssicherheitshauptamt, dessen Leiter ein gewisser Adolf Eichmann war, der andere als Richter am Volksgerichtshof und später als Vorsitzender eines Militärgerichts.
    Beide Männer lebten mit falschem Namen im Ruhrgebiet und wurden als Kriegsverbrecher von den alliierten und deutschen Behörden gesucht. Jetzt war ihnen der Boden unter den Füßen zu heiß geworden.
    Sie hatten sich im Herner Stadtpark verabredet, gingen zunächst einige Meter, setzten sich dann auf eine Bank, um über Belangloses zu sprechen. Mit dem eigentlichen Thema begannen sie erst, als keine unerwünschten Zuhörer mehr in der Nähe waren.
    »Wie lange dauert es denn noch, bis wir nach Italien können?«, fragte der Mann, der sich Klaus Glittner nannte. Sein Gesprächspartner schaute sich nervös um. »Ich weiß es auch nicht genau.« Er nannte sich Hans Allemeyer.
    »Kannst du denn nicht deinen Onkel kontaktieren?«
    »Wie stellst du dir das vor? Dass ich dort hineinspaziere, als wäre nichts gewesen? Mensch, die kennen mich doch von früher.«
    »Was ist bei ihm zu Hause?«
    »Daran habe ich auch schon gedacht. Aber er hat mir klare Anweisungen gegeben. Wir treffen uns nur, wenn er mich anruft und einen Treffpunkt nennt. Ihn unangemeldet aufzusuchen«, er schüttelte energisch den Kopf, »nein, das Risiko ist einfach zu groß. Wir müssen abwarten. Und vor allem Ruhe bewahren.«
    Glittner schob die Haarsträhne aus der Stirn. »Was ist mit den Visa für Argentinien?«
    »Sie sind beantragt, sagt mein Onkel. Aber das dauert eben seine Zeit. Erst mussten unsere Ausweispapiere durch die Italiener fertiggestellt werden. Die Visaanträge liegen in der argentinischen Botschaft in Rom. Mein Onkel hat mit Unterstützung seiner Freunde ein wenig nachgeholfen, damit sie schneller bearbeitet werden als üblich.« Allemeyer rieb die Kuppen von Daumen und Zeigefinger der rechten Hand aneinander. »Sobald die Route klar ist, reisen wir ab. Vermutlich geht es zunächst in ein Kloster in Österreich. So war es jedenfalls bei den anderen, hat mir mein Onkel erzählt. Dort werden unsere Identitäten bestätigt. Dann geht es über Rom nach Palermo. Von da nach Barcelona. Später auf das Schiff und über den großen Teich.«
    »Österreich? Da sind die Amerikaner.«
    »Na und? Hier sind die Briten.«
    »Was, wenn die Amerikaner Wind von unserer Flucht bekommen?«
    »Mach dir keine Sorgen. Mein Onkel sagt, der amerikanische Militärgeheimdienst CIC nutzt diese Route selbst, um Deutsche möglichst unauffällig nach Südamerika zu schleusen.«
    Glittner blickte seinen Freund ungläubig an.
    »Ja, es ist so. Die Amerikaner führen Krieg in Korea. Die kommunistischen Rebellen dort werden von China und den Russen unterstützt. Die Franzosen kämpfen in Indochina gegen die Kommunisten. Es dauert bestimmt nicht mehr lange und wir werden gemeinsam mit den Amis gegen den Iwan zu Felde ziehen.« Er schlug Glittner lachend auf die Schulter. »Bald sind wir Deutschen wieder im Rennen. Die Leistungen des deutschen Volkes werden noch einmal anerkannt, glaub mir. Dann haben wir wieder das Sagen. Aber jetzt heißt die Parole: Kopf einziehen und abwarten.« Allemeyer stand auf. »Es wird Zeit. Lass uns gehen.«
    9
     
    Dienstag, 26. September 1950
     
    Sie
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