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Perlen im Sand

Perlen im Sand

Titel: Perlen im Sand
Autoren: Pepper Espinoza
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gegeben hatte, das die Zeremonie unnötig machte. Auch wenn er sicher war, dass seine Mutter den Ring nehmen und genau das tun würde, was er eben gedacht hatte. Auch wenn er mehr als nur ein bisschen Angst vor dem hatte, was in der Hochzeitsnacht geschehen würde. Und die Hochzeit würde noch der einfache Teil sein. Was würde danach kommen? Jag wusste es nicht.
    Er zog den Ring ab und schloss seine Finger darum. Jag wollte ihn nicht loslassen. Er war sich nicht sicher, warum es ihm so wichtig erschien, den Ring festzuhalten, aber die Perle war ein kleiner, harter Feuerball auf seiner geröteten Haut. Es erschien ihm falsch, sie zurück in das Kästchen zu legen und wegzuschließen, wo sie nur die Wärme verlieren würde, die sie bereits aufgenommen hatte.
    Jags Tür war verschlossen. Es ist nur eine Tradition , hatte ihm seine Mutter versichert. Wir glauben nicht wirklich, dass du irgendwohin gehen wirst.
    Aber Drake hatte draußen Position bezogen. Eine Wache? Jag war nicht sicher. Vielleicht war das auch eine Tradition. Für jede Information über die Tradition, die Zeremonien, die Hochzeit und die Ehe, die ihm seine Eltern gegeben hatten, schienen sie ihm doppelt so viele zu verschweigen.
    Das Ritual schien darauf ausgelegt, ihn auf Abstand zu halten, bis er nicht mehr als eine passive Schachfigur war – etwas, das über alle Maßen lächerlich war, denn das Ritual wurde immerhin unter dem Schutz der Göttin abgehalten. Sie wurde für ihre Kraft, Intelligenz und List verehrt; die Göttin war niemals passiv.
    Einige Menschen verbrachten ihr ganzes Leben damit, für die Ehe ausgebildet und vorbereitet zu werden. Söhne und Töchter wurden bei ihrer Geburt einem Leben voller Erwartungen zugewiesen, unabhängig davon, ob es die Ehe, die Priesterschaft oder eine Anstellung als Hausverwalter beinhaltete.
    Jag hatte nie vorgehabt, sich zu verloben. Seine Eltern hatten ihn erst spät bekommen, lange nachdem seine Geschwister ihren Partnern versprochen worden waren. Während seine Geschwister die Feinheiten von der Zeremonie über die Hochzeitsnacht bis hin zur Führung eines Haushalts gelernt hatten, hatte Jags Geburt ihm ein gewisses Maß an Selbstständigkeit ermöglicht. Es stand ihm frei, zu wählen, ob er Priester oder Gelehrter werden wollte, und er hatte sich entschieden, sein Leben der Göttin zu widmen.
    Mit zwölf hatte er seine ersten Weihen bekommen und nun waren es nur noch sechs Monate, bis er seine Gelübde ablegen und ein Priester im Tempel sein würde. Aber die Hochzeit würde die Priesterschaft unerreichbar für ihn machen und seine Eltern waren besorgt und traurig darüber.
    Jag war ebenfalls betrübt, aber konnte das Ausmaß des Ganzen noch nicht erfassen. Ein Teil von ihm weigerte sich, zu akzeptieren, dass er nicht nur seine Träume, sondern auch seine Berufung aufgeben würde. Wofür? Für Schulden. Für einen Fremden.
    Jag klopfte an die Tür und hoffte, dass Drake ihn hören würde. Hoffte, dass Drake mit ihm sprechen würde. Hoffte, dass Drake ihm Antworten geben konnte. Drake reagierte nicht. Er klopfte erneut. Noch immer keine Antwort.
    »Drake? Bitte?«
    Eine lange Pause entstand, bevor Drakes tiefe, harsche Stimme antwortete: »Ihr solltet meditieren.«
    »Ich weiß. Aber –«
    »Braucht Ihr etwas?«
    »Ich…« Die Perle schien in seiner Hand immer schwerer zu werden. Bald würde er nicht mehr in der Lage sein, seinen Arm überhaupt anzuheben. »Hat die Zeremonie schon begonnen?«
    »Ja.«
    »Oh. Drake?«
    »Ja?«
    »Hast du heute irgendjemanden in mein Zimmer gehen sehen?«
    »Niemanden, der nicht angemeldet war.«
    »Kannst du bitte die Tür aufschließen? Ich werde nirgendwo hingehen.«
    Jag stieß langsam den Atem aus, als sich der Schlüssel umdrehte, die Tür aufschwang und Drakes beeindruckende, einschüchternde Gestalt preisgab. Selbst wenn er lächelte, sah er noch grimmig aus. Sein schwarzer Anzug war makellos, von den Bügelfalten in seiner Hose bis zu den gelben Kordeln an seinen Schultern, die ihn als den Butler des Hauses auswiesen.
    Er trug das Zeichen der Familie Martin auf dem Handrücken; eine Tätowierung, die über die Jahre verblasst und runzelig geworden war, die für Drake aber noch immer ein Grund war, stolz zu sein – wenn auch für niemanden sonst. Er hatte schon für die Familie gearbeitet, lange bevor Jag geboren worden war, und den Mann nun anzusehen, ließ seinen Hals seltsam eng werden.
    Es tat weh, daran zu denken, Drake womöglich nie wieder zu sehen. Es
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