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Perfekte Manner gibt es nicht

Perfekte Manner gibt es nicht

Titel: Perfekte Manner gibt es nicht
Autoren: Cabot Meg
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betonte er immer wieder -, verstand die Angst eines Schauspielers, wenn er eine neue Rolle übernahm und den Charakter der dargestellten Person zu ergründen suchte oder genau die richtige Betonung für jedes einzelne Wort seines Textes finden musste.
    Wie konnte Lou, eine einfache Autorin, es auch nur wagen, diese beiden Formen kreativer Ausdruckskraft – Schreiben und Schauspiel – miteinander zu vergleichen? Schreiben war nur ein Handwerk, das wusste jeder. Und Schauspielerei – das war Kunst.
    Und was am traurigsten war – Lou hatte ihm das jahrelang geglaubt.
    Aber – o Gott, er war so attraktiv gewesen … Der wahr gewordene Traum eines jeden Teenagermädchens. Barry war Lous Nevarre gewesen (Rutger Hauer in Ladyhawke – Der Tag des Falken ), ihr Lloyd Dobler (John Cusack in Teen Lover ), ihr Hawkeye (Daniel Day Lewis in Der letzte Mohikaner ).
    Ihr Ein und Alles.
    Und dass er sich für sie entschieden hatte, die pummelige Möhre Calabrese – für ein Mädchen, das sich immer mehr für Filme als für Mode oder Make-up interessiert hatte … Das war die Verwirklichung eines
fantastischen Wunschtraums gewesen. Sie hatte er erwählt, nicht Candy Sparks, den Cheerleader-Captain und Star aller Musicals im Bay Haven Central Club. Oder Amber Castiglione, die Homecoming Queen und Besitzerin einer professionell zusammengestellten Mappe mit Model-Fotos.
    O ja, das war Lous grandioser Coup gewesen – Barry Kimmel einzufangen, der unerhörte Triumph einer pummeligen Intelligenzbestie.
    Bis jetzt. Zehn Jahre später sah es so aus, als hätten Candy und Amber doch noch gewonnen. Gehörte Greta Woolston nicht zur selben Kategorie? Als britische Version von Candy oder als europäische Amber. Und Barry, der jahrelang an Lou gekettet gewesen war, hatte plötzlich erkannt, dass er sich nicht damit begnügen musste. Klar, er konnte so viel Candy-Glamour haben, wie er nur wollte …
    … jetzt, wo er genug eigenes Geld besaß, um dafür zu bezahlen. Dank Lou, die ihm dummerweise die Möglichkeit verschafft hatte, das Geld zu verdienen, das Frauen wie Candy und Greta Woolston reizte.
    »Wie zynisch du bist«, hatte er Lou vorgeworfen, als er aus dem Bungalow ausgezogen war. »So kalt.« So kam sie ihm wahrscheinlich vor, weil sie sich nicht vor seine Füße geworfen und ihn angefleht hatte, bei ihm zu bleiben. Stattdessen hatte sie höflich die Tür aufgehalten, während er mit einer Kiste voller CDs an ihr vorbeigestolpert war.
    »Irgendwie habe ich das Gefühl, das Mädchen, mit dem ich nach Kalifornien gezogen bin, das voller Hoffnungen und Träume war, gibt es nicht mehr«, warf er ihr vor.

    »Weil das Mädchen erwachsen geworden ist, Barry«, hatte Lou erwidert. »Dank dir.«
    Nur zu lebhaft erinnerte sie sich an den Schmerz, den seine Worte bewirkt hatten. Stimmte es? Hatte Barry sich deshalb in Greta verliebt? Wegen ihrer exzessiven Verletzlichkeit? Weil sie den Anschein erweckte, sie sei total unfähig, für sich selbst zu sorgen, und würde jemanden brauchen, der ständig auf sie aufpasste? Solche Gefühle hatte Lou noch nie in einem Mann erregt, das wusste sie.
    Entschlossen wandte sie sich von ihrem Spiegelbild ab. »Hör auf«, flüsterte sie. »Hör einfach auf. Jetzt bist du nicht mehr Möhre Calabrese, sondern Lou Calabrese.« Die Schultern gestrafft, schaute sie wieder in ihre argwöhnischen, müden Augen. »Du bist eine Drehbuchautorin, und du hast einen Oscar gewonnen. Bald wirst du auch einen Literaturpreis erhalten.«
    Falls sie jemals den Roman beendete. Das erste Kapitel hatte sie erst vor ein paar Tagen begonnen, die Story einer Frau, die von ihrem Highschool-Sweetheart betrogen wurde und der die Liebe eines guten, anständigen Mannes half, ihre Selbstachtung zurückzugewinnen. Natürlich reine Erfindung, denn inzwischen war Lou zu der Überzeugung gelangt, dass es – abgesehen von ihrem Vater und ihren Brüdern – keine guten, anständigen Männer gab.
    »Wenn Greta Woolston keine Rolle mehr kriegt, weil ihre Implantate bis zu ihren Knien hinabhängen«, erklärte sie ihrem Spiegelbild, »wirst du immer noch Romane schreiben. Weil deine Vorzüge nicht aus Silikon bestehen. In der Zwischenzeit denk daran: Keine Schauspieler mehr. Und jetzt Kopf hoch!«

    Das Motivationsgespräch funktionierte nicht. Eine Zeit lang starrte Lou das Lächeln an, das sie auf ihre frisch bemalten Lippen geklebt hatte. Dann gab sie es auf. Sie konnte einfach nicht lächeln. Aber auch nicht weinen. Vielleicht hatte Barry
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