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Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Titel: Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
Autoren: Robert Greene
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schwankte zwischen Euphorie und tiefer Depression, zwischen Anbetung und Misstrauen. Er hörte auf zu essen. Er machte ihr einen Heiratsantrag, löste die Verlobung aber sofort wieder. Vielen erschien er am Rande des Wahnsinns. »Ich gehe nun täglich mehr bergunter«, schrieb er. »Drei Monate, […] und darnach ist’s aus.« Im Jahr 1768 brach er dann plötzlich zusammen. Als er erwachte, war er in Blut gebadet. Er hatte eine Lungenblutung erlitten und kämpfte mehrere Tage lang mit dem Tod. Für die Ärzte war seine Genesung ein Wunder. Sie befürchteten einen Rückfall und schickten ihn nach Frankfurt zurück, wo er die nächsten Monate im Bett verbrachte.
    Die lange Krankheit hatte den jungen Goethe völlig verändert. Ihm kamen zwei Gedanken, die ihn für den Rest seines Lebens begleiten sollten. Erstens hatte er das Gefühl, er sei von einem inneren Geist besessen, den er seinen Dämon nannte. Dieser Dämon war die Verkörperung all seiner ruhelosen, dämonischen Energie. Diese Energie konnte zerstörerisch wirken, wie sie es in Leipzig getan hatte. Oder er lernte, sie zu beherrschen und in etwas Produktives zu kanalisieren. Diese machtvolle Energie ließ ihn von einer Stimmung oder Vorstellung ins genaue Gegenteil umschwenken – von Spiritualität zu Sinnlichkeit, von Naivität zu List. Dieser Dämon, glaubte er, sei ihm bei der Geburt eingepflanzt worden und umfasste sein gesamtes Sein. Wie lange sein Leben dauern würde und wie erfolgreich er sein würde, hing davon ab, wie gut er seinen Dämon beherrschte.
    Zweitens war er dem Tod in so jungem Alter so nah gekommen, dass er seine Gegenwart noch Wochen nach seiner Genesung in den Knochen spürte. Nach seiner Rückkehr ins Leben, dachte er plötzlich, wie seltsam es doch war, am Leben zu sein – ein Herz und Lungen und ein Gehirn zu haben, die ohne bewusste Kontrolle funktionierten. Es musste eine Lebenskraft geben, welche die einzelnen Inkarnationen des Lebens transzendierte, eine Kraft, die nicht von Gott kam (Goethe blieb sein Leben lang Heide), sondern aus der Natur. Während seiner Genesungszeit unternahm er lange Spaziergänge auf dem Land und sein Eindruck von der Eigenartigkeit des Lebens übertrug sich von seinem eigenen Leben auf die Pflanzen, Bäume und Tiere, die er sah. Welche Macht hatte sie zu diesem gegenwärtigen, perfekt angepassten Zustand des Lebens geführt? Woher kam die Energie, die sie wachsen ließ?
    Er fühlte sich wie ein zum Tode Verurteilter, dem man einen Strafaufschub gewährt hatte, und er verspürte eine grenzenlose Neugier nach dieser Lebenskraft. So kam ihm die Idee für eine Geschichte, die auf der bekannten Legende eines Gelehrten namens Faust basieren sollte, der auf der verzweifelten Suche nach dem Geheimnis des Lebens war. Faust trifft in der Legende eine Inkarnation des Teufels namens Mephistopheles, der Faust im Austausch für seine Seele bei der Suche hilft. In dem Moment, in dem der ruhelose Faust einen Moment der Zufriedenheit erlebt und nichts mehr vom Leben erwartet, muss er sterben, und der Teufel wird seine Seele holen. Goethe machte sich erste Notizen für das Theaterstück, und in seinen Dialogen zwischen dem Teufel und Faust hörte er seine eigenen inneren Stimmen, seine eigene dämonische Zweiheit, die zu sich selbst sprach.
    Einige Jahre später begann Goethe ein Leben als Rechtsanwalt in Frankfurt. Wie bereits in Leipzig schien der Dämon wieder die Kontrolle über ihn zu gewinnen. Goethe hasste das gewöhnliche Leben eines Rechtsanwalts und er hasste die Konventionen, die sein Sozialleben bestimmten und die Menschen von der Natur trennten. Er kanalisierte seine Gedanken in einen Briefroman – Die Leiden des jungen Werther. Die Geschichte basierte grob auf Menschen, die er kannte, und einem jungen Freund, der wegen einer unglücklichen Liebe Selbstmord begangen hatte, doch die meisten Ideen entstammten seiner eigenen Erfahrung. Im Roman wird die Überlegenheit der Gefühle betont und für eine Rückkehr zu mehr Empfindsamkeit und mehr Nähe zur Natur geworben. Er war ein Vorläufer der europäischen Romantik und löste starke Reaktionen auch außerhalb Deutschlands aus. Goethe wurde über Nacht zur Berühmtheit. Fast jeder las sein Buch. Hunderte junger Menschen folgten dem Vorbild des verzweifelten Werther und begingen Selbstmord.
    Der Erfolg überraschte Goethe und erstaunte ihn. Plötzlich verkehrte er mit den größten Dichtern seiner Zeit. Sein Dämon regte sich. Er gab sich einem Leben voller
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