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Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Titel: Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
Autoren: Robert Greene
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Wein, Weib und Gesang hin. Er erlebte starke Stimmungsschwankungen und empfand zunehmende Abscheu – vor sich selbst und der Welt, in der er sich bewegte. Die Dichter und Intellektuellen, die sein Sozialleben dominierten, ödeten ihn an. Sie waren entsetzlich selbstgefällig, und ihre Welt hatte mit der Realität und der Natur genauso wenig zu tun wie die Welt der Rechtsanwälte. Er empfand seinen Ruf als außergewöhnlicher Dichter zunehmend als einengend.
    Im Jahr 1775, ein Jahr nach der Veröffentlichung des Werther, lud ihn der Herzog von Weimar als sein persönlicher Berater und Minister in sein Herzogtum ein. Der Herzog bewunderte die Werke Goethes und wollte einen weiteren Künstler an seinen langweiligen Hof locken. Für Goethe war dies die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte. Er konnte sich von der literarischen Welt verabschieden und sich in Weimar vergraben. Er würde all seine Energie in die politische Arbeit und die Wissenschaft lenken und so seinen verfluchten inneren Dämon zähmen. Er nahm das Angebot an und verbrachte, mit Ausnahme einer späteren Reise nach Italien, den Rest seines Lebens in Weimar.
    In Weimar wollte Goethe die örtliche Regierung modernisieren, aber er merkte schnell, dass der Herzog schwach und undiszipliniert war, und jeder Versuch einer Reform im Herzogtum von vornherein zum Scheitern verurteil war. Es gab dort zu viel Korruption. Daher lenkte er seine Energien nach und nach in die neue Leidenschaft in seinem Leben: die Wissenschaft. Er konzentrierte sich auf Geologie, Botanik und Anatomie. Seine Jahre als Dichter und Schriftsteller lagen hinter ihm. Er begann, Steine, Pflanzen und Knochen in großen Mengen zu sammeln, um sie dann zu Hause zu jeder Tages- und Nachtzeit zu studieren. Als er sich in die Wissenschaften vertiefte, entdeckte er eigenartige Verbindungen zwischen ihnen. Geologische Veränderungen der Erde gehen sehr langsam vor sich, über riesige Zeitspannen hinweg, zu lange, um sie in einem Menschenleben zu beobachten. Pflanzen befinden sich in einem andauernden Zustand der Metamorphose, von den ersten Anfängen als Samenkorn bis zur Blume oder zum Baum. Alles Leben auf dem Planeten entwickelt sich ständig weiter, eine Lebensform entsteht aus einer anderen. Goethe hatte den radikalen Gedanken, dass auch die Menschen sich aus einer primitiven Lebensform entwickelt haben konnten. Immerhin war das der natürliche Lauf der Dinge.
    Ein Hauptargument der damaligen Zeit gegen eine solche Evolutionstheorie war das Fehlen eines Zwischenkieferknochens bei Menschen. Alle Tiere haben ihn, auch Primaten, aber damals hatte man ihn im menschlichen Schädel noch nicht entdeckt. Das wurde als Beweis dafür angeführt, dass der Mensch nicht zu den Tieren gehörte und von einer göttlichen Kraft erschaffen wurde. Goethe hatte die Vorstellung, dass alles in der Natur miteinander verbunden war und akzeptierte daher diese Hypothese nicht. Nach eingehender Forschung fand er Reste des Zwischenkieferknochens im Oberkieferknochen von menschlichen Kleinkindern. Das war der ultimative Beweis für unsere Verbindung zu allen anderen Lebensformen.
    Goethe betrieb die Wissenschaft auf eine damals sehr ungewöhnliche Weise. Er glaubte an die Existenz einer archetypischen Pflanze, deren Aussehen man aus der Form und der Entwicklung aller Pflanzen herleiten konnte. Wenn er Knochen untersuchte, verglich er alle Lebensformen miteinander und suchte nach Ähnlichkeiten im Bau einzelner Teile wie der Wirbelsäule. Er suchte wie besessen nach Verbindungen zwischen Lebensformen aus seinem faustischen Verlangen heraus, die Essenz allen Lebens zu finden. Er glaubte, die Essenz der Natur sei in der Struktur ihrer Erscheinungsformen enthalten. Er müsste sie nur mit seinen Sinnen und seinem Verstand erfassen. Fast alle Wissenschaftler seiner Zeit lachten über seine Arbeit, aber in den folgenden Jahrzehnten erkannte man, dass er wahrscheinlich die erste Evolutionstheorie entwickelt hatte. Seine anderen Arbeiten waren die Vorläufer späterer Wissenschaften, etwa der Morphologie und der vergleichenden Anatomie.
    In Weimar war Goethe ein anderer Mensch – ein nüchterner Wissenschaftler und Denker. Aber eine erneute Krankheit im Jahr 1801 brachte ihn ein weiteres Mal an den Rand des Todes. Es dauerte mehrere Jahre, bis er sich wieder davon erholt hatte. Aber im Jahr 1805 kehrten mit seiner Kraft auch Gefühle zurück, die er seit seiner Jugend nicht mehr erlebt hatte. In jenem Jahr begann eine der
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