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Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Titel: Perdido - Im Bann des Vampirjägers
Autoren: Bastei Lübbe
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abgekauft, weil er nicht mehr nach Hause gefunden hat.«
    »Freut mich zu hören, dass er immer noch einen untrüglichen Orientierungssinn besitzt!«, prustete Onkel Walter. »Solange es Leute wie Rupert Lilywhite gibt, werden wir Kartenmacher nicht arbeitslos. Aber du kannst mir nicht erzählen, dass du dieses Festmahl für zwei Groschen erstanden hast!«
    »Hat er auch nicht!« Herkules hüpfte auf den Tisch und beschnupperte die Rübe. »Er hat es umsonst gekriegt.«
    Walter sah Hugo streng an. »Das musst du mir erklären.«
    Hugo sprudelte los und erzählte seinem Onkel von dem gemeinen Lebensmittelhändler und dem dunkelhäutigen Fremden, der ihm zu Hilfe gekommen war.
    »Und wie hieß der Mann?«, fragte Onkel Walter neugierig.
    »Hat er nicht gesagt. Aber als er gegangen ist, hat er so gemacht …«, Hugo ahmte den Abschiedsgruß des Fremden nach undlegte zwei Finger an die Stirn, »… und die Augenbraue hochgezogen.« Hugo sah seinen Onkel mit hochgezogener Augenbraue an.
    »Na so was«, sagte Onkel Walter verwundert. Auch er wollte spöttisch eine Augenbraue hochziehen, was ihm aber nicht gelang. Da beide Augenbrauen gleichzeitig nach oben wanderten, wirkte seine Miene eher überrascht.
    »Nein, doch nicht so!«, rief Hugo lachend. »Nur eine!«
    »Ich versuch’s ja! Aber wenn ich die linke hochziehen will, kommt die rechte jedes Mal mit. Aber Moment mal … andersherum klappt’s. Bitte sehr!«
    »Jetzt hast du den Bogen raus!«, lobte ihn Hugo. »Genauso hat mich der fremde Mann angesehen.«
    »Ist es richtig so?« Herkules kniff angestrengt die Augen zusammen und wackelte wild mit den großen rosa Ohren.
    Onkel und Neffe wechselten einen Blick.
    »Wunderbar«, sagte Hugo.

    Hugo schob seine Suppenschale weg, lehnte sich zurück und rieb sich den Bauch.
    »War das lecker!«
    »Das Kompliment muss ich weitergeben.« Onkel Walter tupfte sich mit der Stoffserviette den buschigen weißen Schnurrbart. »Das Rezept stammt von deiner Mutter.«
    Herkules hockte auf dem Rand seiner eigenen Schale und schlabberte gierig. Er blickte auf. »Deine Mutter war wohl eine gute Köchin, was?« Suppe tropfte ihm vom Schnäuzchen.
    Hugo schaute zu dem eisernen Suppentopf über dem Kaminfeuer hinüber und stellte sich vor, wie seine Mutter dort stand, ein Tuch um die Locken gebunden, und die Suppe mit einer großen Kelle austeilte.
    »Man sollte denken, ihr zwei hättet einen Monat lang nichts zuessen bekommen«, hatte sie immer lachend gesagt, wenn sich Hugo und sein Vater auf die Suppe gestürzt und ihre Schalen mit selbst gebackenem Roggenbrot blitzblank ausgewischt hatten. »Ihr führt euch ja wie die Aasgeier auf!«
    Aber das war schon lange, lange her – noch bevor Hugos Vater auf See verschollen war. Er war zur See gegangen, damit sie den betrügerischen Vermieter bezahlen konnten. Und bevor Hugos Mutter vor lauter Sorgen krank geworden war. Und doch sah Hugo sie so deutlich vor sich, als stünde sie leibhaftig dort drüben am Kamin. Hugo konnte das Sägemehl riechen, das die Kleidung seines Vaters bepuderte, wenn er abends aus der Tischlerei kam, er hörte die liebevolle Stimme seiner Mutter. Ganz in Erinnerungen versunken, fasste er nach dem geschnitzten Schachfigürchen, das er an einer Schnur um den Hals trug. Das hatte ihm sein Vater geschenkt, ehe er zu jener Reise aufgebrochen war, von der er nicht mehr wiederkehrte.
    »Ist rein zufällig noch etwas Käse da?«, unterbrach Herkules die Grübeleien seines Freundes.
    Walter legte ein Stück Käse vor den Mäuserich auf den Tisch. »Mehr haben wir nicht, also friss nicht alles auf einmal.«
    »Inzwischen magst du Käse richtig gern, was?« Hugo lächelte verschmitzt. »Wie eine ganz gewöhnliche Maus.«
    Herkules blickte auf und nickte mit vollem Maul. Es sah aus, als hätte er eine ganze Haselnuss in jeder Backe. »Du sagst doch immer, ich soll mich in der Öffentlichkeit wie eine gewöhnliche Maus benehmen«, erwiderte er, als er endlich heruntergekaut hatte. »Das fängt ja wohl beim Fressen an.«
    »Wir sind hier aber nicht in der Öffentlichkeit.«
    »Ich bleibe bloß in meiner Rolle.«
    »Ach so. Das ist natürlich sehr zu begrüßen«, neckte Hugo seinen kleinen Freund.
    »Man tut, was man kann«, sagte Herkules seufzend und stopfte sich den letzten Brocken Käse in das volle Mäulchen.

    Nach dem Essen spielten Hugo und Walter eine Runde Schach und Herkules räkelte sich vor dem Feuer. Da klopfte es mit einem Mal laut. Hugo sah seinen Onkel fragend an.
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