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Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Titel: Perdido - Im Bann des Vampirjägers
Autoren: Bastei Lübbe
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zurückgekehrt.
    Rasch nahm er einen Schluck Wasser aus dem ledernen Trinkbeutel, stöpselte ihn wieder zu und hängte ihn um. Dann holte ereine Landkarte und einen Stift aus dem Tornister, faltete die Karte auf und kritzelte drauflos.
    »Scheißkälte!«, schimpfte er, auch wenn ihm bewusst war, dass seine Hände nicht deswegen zitterten.
    Er faltete die Karte wieder zusammen, steckte sie weg und stand auf. Im Laufschritt hielt er auf den schmalen Pfad zu, der hinauf zur Hügelkuppe führte. Der pralle Trinkbeutel schlug ihm bei jedem Schritt rhythmisch gegen die Hüfte wie ein stetig schlagendes Herz.
    Marcello war oben auf dem Hügel angekommen und wähnte sich bereits in Sicherheit, glaubte schon, auf dem Rückweg nach Lovdiv könne ihm nichts mehr passieren, da packte ihn jäh und unerwartet eine eiskalte Angst. Er fuhr herum und erkannte sofort, dass er verloren war.
    »Ciao, Signor Blanco.« Er rang sich ein schiefes Lächeln ab. »Ich hab nichts Böses gemacht. Hab dem Schloss nur einen kurzen Besuch abgestattet.«
    Doch der Wachposten packte ihn blitzschnell mit beiden Händen am Kragen und hob ihn hoch.
    »Niemand stattet diesem Schloss einen Besuch ab!«, knurrte er.
    »Wenn alle Besucher so empfangen werden, wundert mich das nicht«, entgegnete Marcello heiser.
    »Du bleibst jetzt hier.«
    »Ich würde furchtbar gern zum Abendessen bleiben«, gab Marcello mit zittriger Stimme zurück, »aber ich habe leider schon etwas anderes vor. Vielleicht ein andermal … sagen wir, wenn die Hölle zugefroren ist?«
    Auf den bleichen Schläfen des Postens zeichneten sich kleine blaue Adern ab. Er packte fester zu und drückte Marcello die Luft ab.
    »Es heißt, dass euresgleichen ziemlich hässlich ist«, krächzte Marcello trotzig, »aber das stimmt nicht. Ihr seid abstoßend hässlich.«
    »Was unsere Grausamkeit betrifft, sind die Gerüchte jedenfalls nicht übertrieben.«
    »Aha … gut zu wissen! Was wollen Sie denn nun eigentlich von mir?«
    »Mein Herr hat Durst.«
    »Sagen Sie das doch gleich. Hier ist mein Wasserbeutel, bedienen Sie sich!«
    »Haha.« Der Posten verzog die blauschwarzen Lippen zu einem boshaften Grinsen.
    Marcello spürte seine Lebenskräfte schwinden. Er streifte den Tornister ab und schleuderte ihn weit fort. Der Tornister segelte lautlos durch die Luft und über den zerklüfteten Rand des Abgrunds. Der Schulterriemen flatterte wie eine Papierschlange im Wind, dann war der Tornister nicht mehr zu sehen. Mit letzter Kraft schlug und trat Marcello um sich, doch schon wurden seine Arme schlaff, seine Beine baumelten in der Luft und sein Herz hörte auf zu schlagen.

1. Kapitel
    H
ugo Bailey stand am Kai und wartete darauf, dass das nächste Schiff Segel setzte. Eigentlich sollte er die Stadtpläne verkaufen, die sein Onkel Walter als Andenken für Reisende anfertigte, aber er hatte den Tag hauptsächlich damit zugebracht, sehnsüchtig aufs Meer hinauszuschauen.
    »Das hier segelt bestimmt nach Indien«, sagte er halblaut vor sich hin. Eine leichte Brise zauste ihm den widerspenstigen Blondschopf.
    Er stellte sich vor, wie er an der Reling stand und wie das Schiff über die Wogen des Ozeans hüpfte, von den geblähten Segeln in Richtung ferner, unbekannter Länder befördert. Als jetzt ein Matrose mit einer schweren Kiste auf der Schulter auf das Fallreep des Schoners zustapfte, fasste sich Hugo ein Herz und sprach ihn an.
    »Entschuldigung, Sir.« Der sommersprossige Junge strahlte den Seebären zahnlückig an. »Wo soll’s denn hingehen? In ein aufregendes fernes Land wie Afrika oder Ostindien?«
    Der Mann blieb stehen und drehte sich zu Hugo um. Die Kiste drückte gegen seine Wange, und er erwiderte lachend: »Noch viel aufregender!«
    Hugo riss gespannt die blauen Augen auf.
    »Unsere Mannschaft geht auf die Suche nach ’ner untergegangenen Kultur … wie heißt sie doch gleich? Ach ja, Grimsby!«
    Damit drehte er sich um und marschierte kichernd und unter seiner Last schwankend das Fallreep hoch. Hugo verdrehte belustigt die Augen.
    Ganz in der Nähe hatten sich sechs graubraune Mäuse um ein paar aufgestapelte Holzfässchen versammelt. In ihrer Mitte stand ein weißer Mäuserich mit einem schwarzen Streifen von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel auf den Hinterbeinen.
    Der Mäuserich fiel nicht nur durch seine Fellzeichnung, sondern auch durch seine ungewöhnlich großen, rosafarbenen, unbehaarten Ohren auf. Aber das Ungewöhnlichste an ihm war, dass er seinen Artgenossen eine
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