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Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Titel: Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
Autoren: Manuel Vazquez Montalban
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nicht Herr der Lage gewesen war. Señor Ramón hatte ihm fünfzigtausend Pesetas gegeben und mindestens weitere fünfzigtausend in seinem Kästchen gelassen. Er hatte vorgehabt, ihm die ganze Summe vorzuschießen.
    In dem Lokal duftete es nach Nierchen in Sherry. Carvalho setzte sich an einen Ecktisch, von dem er alles überblicken konnte, und ließ sich von der nierenfettgeschwängerten Luft Nase, Mund und Zunge imprägnieren. Nachdem er einen kastilischen Salat und Nierchen bestellt hatte, versuchte er sich alles vorzustellen, was das Eigenschaftswort ›kastilisch‹ verspricht, wenn es durch das Nennwort ›Salat‹ ergänzt wird.
    Seine eigene Phantasie ging viel weiter als die des Kochs. Er bekam Kartoffeln mit Vinaigrette und einigen marinierten Thunfischstückchen, die strategisch auf der Oberfläche des Kartoffelpflasters verteilt waren.
    Carvalho richtete ein Auge auf den außergewöhnlichen Thunfisch und ließ das andere über die Tische schweifen. Er fragte den Kellner: »Ist Bromuro hier?«
    »Ja, dort unten. Er ist gerade mit einem Kunden fertig. Wenn Sie wollen, schicke ich ihn her.«
    »Sehr gut.«
    Bromuro kam, als Carvalho gerade die Nierensauce aufgetunkt hatte, das mit braunem Fett vollgesogene Brot betrachtete und es dann der sehnsüchtig wartenden Zunge übergab. Die Nierchen waren vor allem für den Geruchsund den Tastsinn ein Genuß, den auch Bromuros Ankunft nicht schmälerte. Dieser hockte sich vor Carvalho, nahm einen seiner Füße und stellte ihn auf seinen Schuhputzkasten.
    »Bist du zum Essen oder zum Arbeiten hier?«
    »Beides. Am Strand haben sie einen Toten gefunden. Er hatte kein Gesicht mehr. Die Fische haben es aufgefressen, und auf dem Rücken trug er die Tätowierung
Ich bin geboren, das Inferno aus den Angeln zu heben

    »Und seine bittere Stimme besaß die Traurigkeit des Akkordeons, schmerzerfüllt und müde?«
    »Wovon zum Teufel sprichst du?«
    Die wäßrigen Augen des Schuhputzers verschwanden noch tiefer in dem Labyrinth schwärzlicher Runzeln, die sich mit roten Krampfäderchen sein Gesicht teilten. Kein Zweifel, er lachte, zumindest glaubte Carvalho, das seismische Beben der Runzeln so interpretieren zu können.
    »Ein altes Lied. Es heißt
Tätowierung
, Concha Piquer hat es gesungen.«
    Carvalho erinnerte sich plötzlich daran. Er summte es vor sich hin, unsicher zuerst, dann unterstützt von Bromuro. Der sang es wie einen Flamenco, dabei war es eine Tonadilla. Aber Carvalho ließ ihn singen. Als sie fertig waren, beugte sich Bromuro vor, als wollte er seine Arbeit begutachten.
    »Ich muß alles wissen, was du darüber in Erfahrung bringen kannst.«
    »Im Moment rein gar nichts, nicht das Geringste.«
    »Jetzt weißt du immerhin, daß ich daran interessiert bin. Morgen um ein Uhr lasse ich mir im
Versalles
wieder von dir die Schuhe putzen.«
    »Willst du zu den Nutten gehen?« Carvalho ließ sich zu einem zweideutigen Grinsen herab, während er seinen anderen Fuß auf den Kasten setzte. Durch Bromuros schütteres Haar sah man die schuppige Kopfhaut. Der Schuhputzer verdiente seinen Lebensunterhalt als Zuträger, als Verkäufer pornografischer Kartenspiele und als Clown, der die Leute darüber aufklärte, wie dunkle Mächte das Bromsalz mißbrauchten. Daher sein Spitzname, der nichts anderes als Bromsalz bedeutet.
    »Ich sage Ihnen, die schütten Bromsalz in alles, was wir trinken, damit wir nicht auf schweinische Gedanken kommen und die Frauen auf der Straße anspringen. Es ist eine Schande! Der größte Kummer meines Lebens! So viele Frauen, und wir haben so wenig für ihr Vergnügen!«
    Der Erfolg war ihm stets garantiert, wenn er die Geschichte von der Bromsalzverschwörung und der mangelnden Übereinstimmung von Wunsch und Wirklichkeit zum besten gab. Seit zwanzig Jahren unterhielt er seine Kundschaft damit. Ursprünglich hatte er sie erzählt, um seine Bildung und seine Teilhabe an der wissenschaftlichen Erkenntnis der Menschheit zu beweisen. Nachdem er jedoch eines Tages dahintergekommen war, daß seine Geschichte die Leute eher erheiterte als beunruhigte, hatte er sie zu seiner wichtigsten Trinkgeldquelle ausgebaut. Diesmal steckte ihm Carvalho fünfhundert Pesetas in die Westentasche, und Bromuro blickte auf, um ihm das ganze Ausmaß seiner Überraschung zu zeigen.
    »Ein guter Auftrag?«
    »Ganz ordentlich.«
    »Du verschenkst doch keine fünfhundert Pesetas so mir nichts dir nichts.«
    »Wenn du meinst, es ist zuviel, kannst du mir ja was
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