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Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Titel: Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
Autoren: Manuel Vazquez Montalban
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das Grün im Norden und Osten und die Geometrie der Stadt zu Füßen des Berges. Die Dunstglocke hing heute nur als eine Art Polkappe über den Industriebezirken und Arbeitervierteln am Hafen.
    Carvalho ging nach unten, um Holz zu holen. Er mußte mehrmals hin- und hergehen und danach den Kamin ausräumen, in dem noch die Reste des letzten Feuers von vor etwa fünf Tagen lagen. Vier Nächte bei Charo, das war zuviel. Carvalhos Gefühle waren widersprüchlich. Einerseits machte er sich Vorwürfe, daß er nicht zu Hause geblieben war und ein geregeltes und besser organisiertes Leben geführt hatte. Andererseits erinnerte er sich an Charos samtweiche Haut und deren Feinheiten an verborgenen Stellen. Auch an ihre Zärtlichkeit, die sie ihm durch ihre Liebkosungen gezeigt hatte.
    Vergeblich suchte er nach etwas Zeitungspapier, um den Holzstoß in Brand zu setzen, den er nach allen Regeln der Kunst aufgebaut hatte, vom Kienspan bis zum Kaminscheit, vom Leichten zum Schweren, vom Dünnsten zum Dicksten. Aber er hatte kein Papier.
    »Ich muß öfter Zeitung lesen«, sagte er laut.
    Schließlich ging er zu den Bücherregalen, die alle vier Wände des Zimmers einnahmen. Er zögerte bei der Wahl, entschied sich aber endlich für ein rechteckiges grünes Buch mit vielen Seiten. Während er es zur Richtstätte trug, las er kurz darin. Der Titel lautete
Spanien als Problem
und war von einem gewissen Laín Entralgo verfaßt worden, zu einer Zeit, als man dachte, Spaniens Probleme ließen sich darauf reduzieren, daß das Land selbst das Problem war. Er schob das Buch offen mit zerknüllten Seiten unter das Holz, und während er es ansteckte, fühlte er einerseits Befangenheit, andererseits ungeduldige Erwartung, daß das Feuer endlich flackerte und sich das Buch in einen Haufen vergessener Wörter verwandelte.
    Als das Feuer bereits ein bewegtes und heißes Bild war, ging Carvalho in die Küche und baute die Einkäufe in der Reihenfolge auf, die die Zubereitung des Abendessens erforderte. Dann stieg er in den Weinkeller hinunter. Er hatte im Untergeschoß die Verbindung zwischen zwei tragenden Wänden einreißen lassen, so daß Erde und Gestein des Berges frei lagen. Dort war eine Höhle gegraben worden, beleuchtet von einer Glühbirne, in deren sozusagen wohlklingendem Licht die staubigen Rücken von Weinflaschen zum Vorschein kamen. Er trat zur Reihe der Weißweine und wählte unter den spärlich vertretenen spanischen Sorten einen Fefiñanes. Als er ihn schon in einer Hand hielt, näherte sich die andere verführerisch einem Blanc de Blancs aus Bordeaux. Aber das Abendessen war nicht einmal gut genug für diesen Zweitklassigen unter den großen französischen Weinen. Jedesmal, wenn er in den Keller hinabstieg, wog er vorsichtig eine der drei Flaschen Sauternes in der Hand, die er für das Muschelessen an Weihnachten eingelagert hatte. Der Sauternes war sein Lieblingswein, neben dem unberührbaren Pouilly-Fuissé, einem Wein, der es nach Carvalhos Meinung verdiente, ausschließlich für die allerletzten Wünsche intelligenter Gourmets in Nöten aufbewahrt zu werden. Resigniert seufzend, stieg er mit seinem Fefiñanes wieder zur Küche hinauf. Zunächst befreite er den Fisch von seinen Stacheln und die Scampi von ihrer Schale. Die Stacheln und die roten Schalen kochte er zusammen mit einer Zwiebel, einer Tomate, Knoblauch, einer getrockneten, milden Kirschpaprika, einem Selleriezweig und einem Porreestengel. Dieser Sud war unerläßlicher Bestandteil von Pepe Carvalhos spezieller
caldeirada de pescado
. Während der Sud leise vor sich hin kochte, schmorte er Zwiebeln, Tomaten und eine getrocknete, milde Kirschpaprika in einer tönernen Kasserolle und ließ sie eindicken. Als dieses
sofrito
genügend eingedickt war, schwenkte er darin ein paar Kartoffeln. Dann gab er die Scampi dazu, danach den Seeteufel und den Seehecht. Die Fische nahmen Farbe an und gaben Wasser ab, das sich mit dem Mörtel des
sofrito
vermischte. Zu diesem Zeitpunkt goß Carvalho eine Kelle von dem starken Sud dazu, und nach zehn Minuten war sein Fischtopf fertig.
    Carvalho richtete das Tischchen vor dem Kamin her und aß gleich aus der Kasserolle. Den eisgekühlten Fefiñanes hingegen trank er aus einem hohen, geschliffenen Kristallglas. ›Zu jedem Wein das richtige Glas!‹ Carvalho achtete nur wenige Gebote, aber dieses nahm er besonders ernst.
    Nach dem Essen trank er eine große Tasse leichten Kaffee, dessen Zubereitung er in den Vereinigten Staaten
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