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Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Titel: Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
Autoren: Manuel Vazquez Montalban
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fünfzigtausend, die ihm Don Ramón als Vorschuß bezahlt hatte, und überlegte, ob er sie aufs Konto oder lieber aufs Sparbuch einzahlen sollte. Dann nahm er das letztere aus einer kleinen Geldkassette, die er aus dem untersten Schubfach einer Kommode holte. Er hatte jetzt dreihunderttausendundfünfzig Pesetas gespart. Zusammen mit dem, was auf dem Konto lag, ergab das eine Summe von fast einer halben Million Pesetas. Nicht zuviel und nicht zuwenig für zehn Jahre Arbeit. Es war die Garantie, daß er nach weiteren zehn Jahren eine Million erreicht haben würde und auf seine alten Tage nicht am Hungertuch nagen müßte.
    Carvalho beschloß, die fünfzigtausend auf das Sparbuch einzuzahlen, weil sich das Geld vom Konto schneller verflüchtigte; das Konto war dank des zahlungskräftigen Scheckbuches anfälliger für unnötige Ausgaben. Auf dem Sparbuch war das Geld sicherer. Er zählte die fünfzigtausend noch einmal durch und verteilte sie mit der Gebärde eines großzügigen Gangsters auf dem Tisch. Dann sammelte er einen Schein nach dem anderen ein, stapelte sie fein säuberlich auf und wedelte mit dem Bündel, daß es knisterte. Er schob das Geld zusammen mit dem Sparbuch in einen Umschlag. Dann öffnete er den Brief aus dem Dorf. Der jüngere Bruder seines Vaters schrieb ihm mit seiner fast unleserlichen Handschrift, falsch getrennten Silben und einem Aufwand an Rhetorik, dessen Höhenflügen sein sprachliches Instrumentarium kaum gewachsen war.
    Nach einer langen, förmlichen Einleitung, der Gesundheit und der Erinnerung an seinen Vater gewidmet, zeichnete der Onkel mit hinreichendem malerischen Talent ein Bild ackerbäuerlicher Trostlosigkeit: schlechte Ernten. Es folgte ein beklagenswerter viehzüchterischer Schicksalsschlag: Eine Kuh sei an Blähungen eingegangen; entweder habe sie unverträgliche Kräuter gefressen oder sie sei, wer weiß, von einem bösen Nachbarn vergiftet worden. Zu guter Letzt sei die Tante noch erkrankt, und er habe sie nach Guitiriz zur Trinkkur geschickt, für ein Heidengeld. Wäre sein Vater noch am Leben, hätte ihn soviel Leid nicht unberührt gelassen. Nun wende er sich an ihn mit der Bitte, ihn ein wenig zu unterstützen, wenn er könne, und natürlich nur, wenn es ihm selbst keine Probleme bereite. Er schloß mit der Mitteilung, daß mit einem langsamen, aber zuverlässigen Boten ein Dutzend Chorizos, zwei Laib Käse und eine Flasche Grappa für ihn unterwegs seien.
    Carvalho begann, in Galicisch seine Verwandtschaft zu beschimpfen und zu verfluchen. Er gedachte, einen bitterbösen Brief zu schreiben, um ihnen endlich ordentlich Bescheid zu stoßen und die Dummheit seines Vaters zu brandmarken, der auf sein Erbteil verzichtet und ihnen sein Leben lang nach Kräften geholfen hatte, um schließlich mit nichts als ein paar kümmerlichen Ersparnissen zu sterben. Und das alles nur, weil er zuerst in Kuba und dann in Madrid und Barcelona gearbeitet und danach in der Familie immer als reicher Onkel aus Amerika gegolten hatte.
    Aber er schrieb diesen Brief nicht, sondern strickte ein paar Zeilen, in denen er einen Scheck über fünftausend Pesetas ankündigte. Er glaubte, sein Vater hätte bestimmt ebenso gehandelt, und der Arme würde durch diese Tat in ihm selbst ein wenig lebendig. Seine Augen wurden feucht, als er sich daran erinnerte, wie er kalt und unnahbar, etwas geschrumpft, auf den Fliesen der Leichenhalle im Hospital San Pau gelegen hatte. So hatte er ihn nach einer langen, ermüdenden Reise von San Francisco aus wiedergesehen. Das waren nun die zweiten fünftausend Pesetas, die ihn sein Vater kostete, die zweite Kuh, deren Kauf er seinen Verwandten ermöglichte, mit posthumer Widmung, fast, als bezahlte der Alte selbst.
    Carvalho hatte noch viele Dinge zu erledigen, bevor er Bromuro wieder treffen konnte, und momentan sah es aus, als stünden sie alle im Zusammenhang mit seiner galicischen Abstammung. Er fuhr mit hoher Geschwindigkeit die Straße nach Barcelona hinab, zahlte das Geld bei der Filiale der Sparkasse an der Straße Carlos III. ein und schickte auf dem Postamt in der Avenida de Madrid einen Scheck ab. So war er binnen einer halben Stunde mit sich und seiner Zukunft ins reine gekommen.
    Nun stellte er seinen roten Seat Coupé auf dem Parkplatz der Plaza de la Villa de Madrid ab. Er liebte es, den Wagen am Anfang der Ramblas stehenzulassen, um zu Fuß bis zu Charos Revier hinunterzugehen. Sorglos schlenderte er unter den Platanen und blieb ab und zu stehen, wenn
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