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Pension der Sehnsucht

Pension der Sehnsucht

Titel: Pension der Sehnsucht
Autoren: Nora Roberts
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Antwort nicht sehr befriedigend und wollte alles noch ausführlicher erklären, als die Tür heftig aufgestoßen wurde.
    »Nelly!« Auf der Schwelle stand Eddie, seine Unterlippe zitterte verdächtig. »Die Bodwins sind da.«
    »Ich komme gleich.« Nelly unterdrückte einen Seufzer. Sie würde Eddie sagen, dass er künftig anzuklopfen hatte, ehe er ein Zimmer betrat.
    »Wer sind die Bodwins? Eine Naturkatastrophe oder eine Virusepidemie?« fragte Percy, nachdem Eddie wieder davongeeilt war.
    »Nichts dergleichen.« Nelly stand auf. »Entschuldigen Sie mich bitte, in einer Minute bin ich wieder zurück.«
    Sie schloss die Tür fest hinter sich und lief ins Foyer hinunter.
    »Herzlich willkommen, Miss Patience, herzlich willkommen, Miss Hope.« Nelly begrüßte das ältliche Geschwisterpaar zuvorkommend.
    Die Schwestern Bodwin, große, hagere, unverheiratete Damen, waren Stammgäste im »Lakeside«.
    »Ich freue mich, Sie gesund und munter wiederzusehen.«
    »Wir kommen immer wieder gern hierher zurück, Miss Clark«, antwortete Miss Patience, und Miss Hope nickte zustimmend. Meistens war Miss Patience diejenige, die sprach, und Miss Hope beschränkte sich auf einsilbige Kommentare. Das war einer der wenigen Unterschiede zwischen den beiden Schwestern. Davon abgesehen wirkten sie wie Zwillinge, hatten die gleichen Gewohnheiten, die gleiche Art, sich zu bewegen und zu kleiden. Sie trugen orthopädische Schuhe und altmodische Nickelbrillen.
    »Eddie, sorge bitte dafür, dass das Gepäck hochgebracht wird«, ordnete Nelly an.
    Miss Patiences Miene hellte sich auf, und Nelly bemerkte, wie ihr Blick sich auf einen Punkt heftete, der sich hinter ihrem Rücken befand. Sie drehte sich um und entdeckte Percy.
    »Miss Patience, Miss Hope, das ist Mr. Reynolds, der Besitzer des Hotels.«
    »Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen, meine Damen.« Percy verbeugte sich galant und gab ihnen die Hand. Miss Hopes faltige Wange rötete sich.
    »Sie sind ein Glückspilz, junger Mann.« Miss Patience musterte Percy eingehend, dann nickte sie zufrieden. »Ich nehme an, Sie wissen, dass Miss Clark ein Schatz ist. Hoffentlich würdigen Sie das entsprechend.«
    Nelly knirschte mit den Zähnen. Lächelnd legte Percy die Hand auf ihre Schulter und entgegnete: »Ich bin davon überzeugt, dass Miss Clark ein Goldstück und mein Lob ganz unzureichend ist.«
    Miss Patience nickte beifällig.
    Nelly schüttelte Percys Hand ab und verhielt sich kühl und unpersönlich. »Sie bekommen denselben Tisch wie immer, Nummer zwei.«
    »Wie schön.« Miss Patience kräuselte die Lippen und tätschelte Nellys Wange. »Sie sind ein liebes Mädchen, Miss Clark.«
    Die Damen entfernten sich in ihr Zimmer.
    »Na, hören Sie mal.« Spöttisch lächelnd wandte sich Percy an Nelly. »Sie wollen diesen beiden alten Jungfern doch wohl nicht den zweitbesten Tisch geben?«
    »Im ›Lakeside‹«, entgegnete sie kühl, während sie wieder dem Büro zustrebte, »wird den Gästen im Rahmen des Möglichen jeder Wunsch erfüllt. Ich sehe keinen Grund, den Schwestern Bodwin dieses harmlose Ansinnen abzuschlagen. Mr. Campbell gab ihnen immer den Tisch Nummer zwei.«
    »Mr. Campbell«, erwiderte Percy so ruhig, dass sie zornig wurde, »ist nicht mehr der Besitzer dieses Hauses, sondern ich.«
    »Das ist mir nicht entgangen.« Trotzig schob sie das Kinn vor. »Verlangen Sie von mir, dass ich die Schwestern Bodwin von ihrem Lieblingsplatz verscheuche und ihnen einen Tisch in der Nähe der Küche gebe? Sehen sie Ihnen nicht vornehm genug aus? Versuchen Sie mal, die beiden Frauen als Menschen zu sehen und nicht als kleine schwarze Zahlen auf Ihren Bankauszügen.«
    Sie verschluckte sich beinahe, als er fest ihre Schultern packte.
    »Leider«, begann er drohend, »haben Sie ein aufbrausendes Temperament und ziemlich merkwürdige Vorstellungen, was meinen Charakter angeht. Aber niemand hat mir vorzuschreiben, wie ich meine Betriebe leite. Kein Mensch, haben Sie mich verstanden? Wenn ich Ihren Rat brauche, dann frage ich Sie vielleicht danach, aber die Entscheidungen treffe ich allein, und ich allein ordne an, was zu geschehen hat.«
    Stumm vor Schreck sah Nelly zu ihm hoch.
    »Haben Sie mich verstanden?«
    Nelly nickte. Dann nahm sie ihren Mut zusammen und fragte: »Was soll ich jetzt mit den Schwestern Bodwin machen?«
    »Nichts. Diese Entscheidung haben Sie mir ja schon aus der Hand genommen. Aber jedes Mal, wenn Sie etwas tun, das mir missfällt, werde ich kein Blatt vor
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