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Pension der Sehnsucht

Pension der Sehnsucht

Titel: Pension der Sehnsucht
Autoren: Nora Roberts
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weiße Seidenbluse und einen grauen Blazer anzog, unterhalte ich mich nur noch über geschäftliche Dinge mit ihm.
    Jetzt schämte sie sich, weil sie sich kindisch Schutz suchend an seine Brust geworfen hatte. Wenn sie sich weiterhin so benahm, konnte er sie ja gar nicht ernst nehmen. Anstatt Selbstbewusstsein auszustrahlen, hatte sie sich blamiert, indem sie sich von einem Gruselfilm aus der Fassung bringen ließ und auf seine zärtliche Annäherung wie ein dummes Schulmädchen reagierte.
    Das soll mir nicht noch einmal passieren, schwor sich Nelly und steckte sich das Haar zu einer damenhaften Frisur hoch. Ich habe mich von ihm übertölpeln lassen. Kein Wunder, dass ich mich vor ihm lächerlich gemacht habe.
    Doch noch während sie sich beschimpfte, kehrten ihre Gedanken wie von selbst zu der Umarmung zurück. Sie fühlte wieder seinen Mund auf ihren Lippen, den warmen Atem, der ihre Wange streifte. All das war neu für sie, ihre Knie wurden seltsam weich, und es kam ihr so vor, als ginge sie auf Watte.
    Sie musste sich ständig ermahnen, wie wichtig es war, Percy Reynolds nicht als attraktiven Mann zu beurteilen, sondern als Besitzer des »Lakeside Inn«, der das Schicksal dieses Hotels bestimmte.
    Eingebildeter Kerl, dachte sie, als sie sich an seine Drohung erinnerte, das Haus zu schließen, wenn sie kündigte. Das war glatte Erpressung. Er wusste, dass er alle Trümpfe in der Hand hielt.
    Na schön, wie Sie wollen, Percy Reynolds, dachte sie schließlich, während sie sich den schwarzen Faltenrock glatt strich. Wenn ich will, kann ich auch gemein sein. Nachdem sie vor dem Spiegel mehrere Arten zu lächeln ausprobiert hatte – höflich, herablassend, gleichgültig –, verließ sie mit federnden Schritten das Zimmer.
    Die Sonntagvormittage verliefen im Allgemeinen ruhig. Die meisten Gäste schliefen lange und frühstückten erst spät. Gewöhnlich verbrachte Nelly diese stillen Stunden mit Büroarbeit, denn sie wusste aus Erfahrung, dass sie dann ungestört arbeiten konnte.
    In der Küche trank sie schnell eine Tasse Kaffee, ehe sie sich in den Papierkrieg stürzte.
    »Welch ein Zufall.« Nelly zuckte zusammen, als Percys Hand sich unter ihren Ellenbogen legte und er sie zum Speisezimmer schob. »Jetzt brauche ich nicht allein zu frühstücken.«
    Nelly unterdrückte eine schnippische Bemerkung und lächelte gekünstelt. »Wie nett von Ihnen, dass Sie mit mir frühstücken wollen. Haben Sie gut geschlafen?«
    »Wie es in Ihrer Broschüre steht, bürgt die ruhige Atmosphäre des Hotels für einen guten Schlaf.«
    Nelly steuerte auf einen freien Tisch zu, der etwas abseits von den anderen in einer Nische stand. »Sie werden feststellen, Mr. Reynolds, dass meine gesamte Werbung auf Tatsachen beruht.« Nelly nahm auf einem Stuhl Platz. Sie bemühte sich, hell und freundlich zu sprechen. Sie erinnerte sich immer noch an den Streit in ihrem Büro und an die … persönlichere Begegnung im Aufenthaltsraum.
    »Bis jetzt habe ich tatsächlich noch keine Unstimmigkeiten bemerkt.«
    Verträumt vor sich hin lächelnd, stand Maggie am Tisch. Gewiss dachte sie an ihr Rendezvous vom vergangenen Abend.
    »Ich bekomme Toast und Kaffee, Maggie«, sagte Nelly bestimmt, aber nicht unfreundlich, und riss Maggie aus ihrer Versenkung. Die Kellnerin lief rot an und kritzelte die Bestellung auf ihren Block.
    »Ich gebe zu«, meinte Percy, nachdem er seine Wünsche geäußert hatte, »dass Sie von Ihrer Arbeit etwas verstehen.«
    Nelly haderte mit sich, weil sie sich über dieses unverhoffte Lob maßlos freute. »Wie kommen Sie darauf?« fragte sie mit falscher Bescheidenheit.
    »Nicht nur Ihre Geschäftsbücher sind tadellos geführt, Sie wissen auch, wie Sie Ihr Personal behandeln müssen. Vorhin haben Sie mit einem einzigen Blick etwas ausgedrückt, wozu andere Leute eine zehnminütige Predigt gebraucht hätten.«
    »Es ist eine große Hilfe, wenn man das Personal auch persönlich kennt.« Verschmitzt lächelnd zog sie die Brauen hoch. »Wissen Sie, zufällig ahne ich, dass Maggie im Geist immer noch bei dem Film weilt, den sie und ihr Freund gestern Abend aus bestimmten Gründen nicht gesehen haben.«
    Percy lächelte.
    »Das Personal hält zusammen wie eine große Familie«, fuhr Nelly so unpersönlich wie möglich fort. »Und unsere Gäste spüren das. Es gefällt ihnen, wie ungezwungen es hier zugeht, obwohl der Service durch und durch korrekt ist. Den Regeln unseres Hauses entsprechend geht das Personal auf die individuellen
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