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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson
Autoren: Wagnis des Herzens
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sich nicht beirren. Seine
Augen richteten sich unverwandt auf Emma.
    »Offenbar«,
murmelte Geoffrey verächtlich, »will der Stallknecht diesen Tag dazu nutzen,
sich Dinge herauszunehmen, die ihm nicht zustehen. Ich werde mit ihm reden. Er
hat kein Recht, dich anzusehen.«
    Wie dumm, so etwas zu sagen,
dachte Emma. Der Mann hatte das Recht, anzusehen, wen oder was er ansehen
wollte. Außerdem hatte sie ihn angesehen. Aber Emma schwieg, denn sie
hoffte, daß Geoffrey mit ihm reden würde. Sie wollte, daß dieser Mann ... nein,
sie wußte nicht genau, was sie eigentlich wollte. Vermutlich wäre es besser für
ihn, nicht dazusein, um sie anzusehen.
    Stuart Alcott ritt auf sie zu.
In der elegant behandschuhten Hand hielt er die Lunte – ein feuchtes blutiges
Etwas von rotem Fell. Von ihrer Schönheit war nichts geblieben.
    »Die Schöne des Tages verdient
die Trophäe!« rief er laut genug, daß alle es hörten. Dabei lächelte er leicht
boshaft.
    Geoffrey erwiderte das Lächeln
mit unverhohlenem Triumph. »Emma verdient die ganze Welt.«
    »Statt dessen bekommt sie dich«, erklärte Stuart trocken.
    Aber Geoffrey lachte nur und
nahm die Lunte aus der ausgestreckten Hand seines Bruders.
    »Geoffrey, ich will sie nicht«, sagte Emma.
    Aber ihr Verlobter drapierte
den blutigen Fuchsschweif bereits über den Knauf von Emma Tremaynes Sattel.
    Eine Frau
wartete am Tor der Hope Farm auf die Jagdgesellschaft. Sie hielt ein totes Kind
im Arm.
    Seit über
einem Jahrhundert hielt der riesige Kieferknochen eines Wals Wache am Tor. Vor
langer, langer Zeit hat ein Tremayne, der als Schiffskapitän zur See fuhr, ihn
dort aufgestellt. Der Kieferknochen war wie altes Treibholz zu einem hellen
Grau ausgebleicht. Die Frau wirkte vor diesem imposanten Hintergrund wie ein
lodernder Busch. Lange, leuchtendrote Haare verdeckten ihr Gesicht. Sie trug
einen kürbisgelben Mantel, den sie aus dem Müll gefischt zu haben schien. Er
war am Saum ausgefranst und viel zu groß für sie.
    Die kleine
zierliche Frau schwankte unter dem Gewicht in ihren Armen. Das Kind war ohne
Zweifel tot und schrecklich verstümmelt. Ein Arm war so heftig aus seiner
Schulter gerissen, daß der weiße Knochen aus dem blutigen Fleisch herausragte.
Der Kopf war nur noch ein blutiger Schädel ohne Haare.
    Der dunkle
und gequälte Blick der Frau wanderte von einem AlcottBruder zum anderen. »Und
wer von Ihnen beiden ist der feine vornehme Herr, dem die Spinnerei in der
Thames Street gehört?«
    »Zum
Teufel, mich müssen Sie nicht ansehen«, durchbrachen Stuarts Worte die
verlegene Stille. Er wies mit dem Finger auf seinen Bruder. »Ich gebe nur das
Geld aus, das er verdient.«
    Ein
paar der Männer lachten sogar. Allerdings verstummten sie auf der Stelle, als
die Frau einen schwankenden Schritt auf sie zu machte. »Mörder!« schrie sie.
»Ihr alle seid nichts als gottlose Mörder!« Ihr wilder Blick richtete sich auf
Geoffrey Alcott. »Aber ich bin eigentlich nur hierher gekommen, um Sie zu
sehen!«
    Geoffrey
wurde blaß. Doch dann neigte er leicht den Kopf, als werde er gerade in einem
Salon vorgestellt. »Ich stehe zu Ihren Diensten, Madam.«
    Die Frau
versuchte, die Leiche des Jungen hochzuheben, als wolle sie Geoffrey ein
Geschenk überreichen. Einen Augenblick lang sah es aus, als werde sie rückwärts
unter der Last zu Boden stürzen.
    Tränen strömten aus ihren
dunklen Augen, aber ihre Worte klangen jetzt sanft und zärtlich, als wiege sie
ein Kind in den Schlaf.
    »Er ist in
eine Ihrer Spinnmaschinen gefallen, während er sich mit den Garnrollen abmühte.
Ich dachte, Sie würden sehen wollen, was Ihr großes schwarzes Ungeheuer von
einer Maschine angerichtet hat, bevor wir ihn beerdigen.«
    Emma konnte
das tote Kind nicht ansehen, konnte den Blick aber auch nicht abwenden. Ihre
Augen richteten sich schließlich auf den schmalen nackten Fuß, der von Schmutz
und Schmierfett schwarz war.
    »Die Spinnmaschine hat ihm den
Arm abgerissen und die hübschen blonden Locken vom Kopf. Sie hat ihn skalpiert
so wie eine Ihrer Rothäute.«
    Geoffrey
räusperte sich. »Ich bedaure aufrichtig Ihren Verlust, Madam«, sagte er, und
Emma bemerkte, daß seine Stimme den sanften Ton angenommen hatte, in dem er
auch oft mit ihr sprach. »Aber ich muß Sie daran erinnern, daß, als Sie den
Jungen zur Arbeit in der Spinnerei brachten, Sie mit ihrem Zeichen auf einem
Dokument ausdrücklich zugestimmt haben, für mögliche Verletzungen und Schäden,
die auf Nachlässigkeit und
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