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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson
Autoren: Wagnis des Herzens
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Gewiß, sie war bereits zweiundzwanzig und damit praktisch eine alte Jungfer. Ihre
Mutter hätte sich vor Entsetzen geschüttelt, wenn ihr diese Worte zu Ohren
gekommen wären.
    »Emma, du quälst mich, wenn ich
so lange auf deine Antwort warten muß«, sagte er. Aber dann lachte er, damit
sie wußte, daß er sie neckte. Ein Alcott ließ nicht zu, daß ihn irgend etwas
quälte.
    Doch als er die Hand hob und ihr einmal mit dem Daumen
über die Lippen fuhr, wurde sie plötzlich atemlos. Es war dasselbe Gefühl, das
sie hatte, wenn sie auf dem Pferderücken über Zäune sprang. Vielleicht liebte
sie ihn doch.
    »Ja«, sagte sie, erstaunt über
den unsicheren Klang ihrer Stimme. »Ich werde dich heiraten, Geoffrey Alcott.«
Jetzt blickte sie zu ihm
    auf und lächelte glücklich und
gleichzeitig schüchtern. Sie dachte, er werde sie vielleicht küssen, und
wartete mit angehaltenem Atem auf den Kuß. Deshalb zuckte sie zusammen, als er
ihre Hand nahm.
    Langsam und behutsam öffnete er
nacheinander die drei winzigen schwarzen Jettknöpfe ihres Reithandschuhs. Er
führte die Hand an
    seinen
Mund und drückte die Lippen auf die Innenseite ihres Handgelenks, wo die blaue
Ader heftig und schnell unter der zarten Haut klopfte.
    Der Fuchs war auf den Stamm einer vom Blitz gefällten Zeder
gesprungen. Er befand sich über dem Boden, gerade außerhalb der Reichweite der
Hunde, aber er saß jetzt in der Falle. Die Hunde drängten sich um den Baum und
schnappten mit gefletschten Zähnen in die Luft. Sie hatten an diesem Tag noch
kein Futter bekommen. Der Hunger verlieh ihrem Gebell etwas Wildes.
    »Die Hunde sollen ihn haben!« rief
Aloysius Carter seinem Pikör zu. »Ich habe gesagt, die Hunde sollen ihn haben,
du verdammter, drekkiger halsstarriger Ire!«
    Aber Emma
sah, daß der Ire nicht auf ihn hörte. Mit knallender Peitsche war er mitten in
die Meute geritten und versuchte, die Hunde zum Rückzug zu zwingen, sie von dem
gestürzten Baum zu vertreiben. Die Hunde fügten sich, obwohl sie hungrig und
aufgeregt waren, doch plötzlich verlor der Fuchs auf dem taufeuchten Stamm den
Halt.
    Einen Augenblick lang schien er
in der Luft zu schweben, dann fiel er mitten in zwanzig knurrende und
schnappende Mäuler.
    Der Fuchs
stieß einen einzigen lauten Schrei aus, als ihn die ersten Zähne an der Kehle
packten. Dann sah Emma nur noch die weiße Spitze seines Schwanzes. Alles andere
verschwand unter den Hunden.
    Das Horn
blies einen langen klagenden Ton und gab damit das Totsignal.
    Emma hatte den Blick abgewandt,
als der Fuchs in die Meute gefallen war. Aber trotzdem hörte sie, wie ihr
Vetter Aloysius den Hunden zurief: »Zerreißt ihn! Tötet ihn!«
    Sie und
Geoffrey saßen Seite an Seite auf ihren schnaubenden Pferden. Er sah zu, wie
der Fuchs starb, aber sein Gesicht verriet nichts von seinen Gefühlen.
    »Geoffrey?
Möchtest du nicht auch manchmal, daß der Fuchs entkommt?«
    Er starrte
sie an, als hätte sie etwas auf chinesisch zu ihm gesagt.
    »Bitte?«
    »Der Fuchs!
Ich hatte mir gewünscht, daß er entkommt.«
    Ein zärtlicher Blick erhellte
sein Gesicht. Er beugte sich vor und tätschelte den Ärmel ihres Reitkostüms.
    »Mein armer Schatz«, sagte er.
»Was hast du doch für ein weiches kleines Herz.«
    Emmas Augen
schmerzten, als werde sie im nächsten Moment in Tränen ausbrechen. Sie zog
ihren Arm zurück, so daß er sie nicht mehr berühren konnte, und ließ die Stute
etwas rückwärts gehen, obwohl sie nicht wußte, weshalb sie plötzlich nicht mehr
in seiner Nähe sein wollte. Geoffrey war ebenso wenig oder ebenso sehr für den
Tod des Fuchses verantwortlich wie sie.
    Geoffrey entdeckte seinen
Bruder und rief ihm zu: »Stuart! Miss Tremayne hat mir gerade die Ehre erwiesen
und mir versprochen, meine Frau zu werden.«
    Stuarts
Lachen klang hart. »Auf einer Fuchsjagd? Du liebe Zeit, Geoffrey ... welch
erstaunliche Spontaneität! Das hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
    Emma
vermied es, den Iren, diesen merkwürdigen Mann, noch einmal anzusehen, aber
jetzt ließ er sie nicht mehr aus den Augen.
    Emma spürte seinen Blick so
deutlich wie den unruhigen Pulsschlag an ihrem Hals.
    »Wer ist dieser Mann?« fragte sie plötzlich.
    »Wer?«
Geoffrey drehte sich im Sattel um. »Er? Der Pikör?« Er schien überrascht, daß
sie einen Dienstboten überhaupt zur Kenntnis nahm. Sie waren im allgemeinen
unsichtbar und hatten nicht einmal Namen.
    Geoffrey wollte den Mann durch
seinen Blick zwingen, sich abzuwenden. Aber er ließ
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