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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson
Autoren: Wagnis des Herzens
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schwarzen Jacke und einem großem Schlapphut auf dem
Kopf brachte ihre Stute. Die breite Hutkrempe verdeckte sein Gesicht, aber das
war unbedeutend, denn sie beachtete ihn kaum. Sie schenkte ihm auch dann noch
keine Aufmerksamkeit, als er ihr beim Aufsitzen auf die unruhige
Rotschimmelstute half.
    Emma legte
das Bein um den Sattelknauf und richtete den Rock. Das Sattelleder war kalt und
feucht. Die Stute schnaubte, tänzelte und warf den Kopf. Plötzlich hob der Mann
die Hand und umfaßte Emmas Fußgelenk.
    Sein Griff
war fest, und sie spürte seine starken Finger durch das weiche Leder der
Stiefel. Es verschlug ihr den Atem. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und
eine leise Panik erfaßte sie. Emma erstarrte unwillkürlich und stieß einen
Schrei aus, der jedoch eher wie ein tiefes Seufzen klang.
    »Der Gurt
ist lose!« hörte sie ihn sagen. »Sie sind zweifellos ein hübsches kleines
Fräulein, aber wenn Ihnen nicht eine gute Seele wie ich den Gurt festzieht,
dann landen Sie mit dem Hintern in der erstbesten Dornenhecke.«
    Die derben
Worte entsetzten sie weit weniger als seine rauhe Stimme. Er hatte die typisch
irische melodiöse Art zu sprechen, aber seine Stimme klang merkwürdig rauh und
heiser, eher als flüstere er. Irgendwie lag etwas Bedrohliches darin.
    Er hatte
ihr Fußgelenk wieder losgelassen, hob den Sattel und zog die Gurtschnallen
fest. Der Mann hatte große, breite und schwielige Hände.
    Sie
starrte schockiert auf den Schlapphut und die langen, zerzausten Haare, die
über den Kragen seiner Jacke fielen. Langsam hob er den Kopf. Noch verbarg die
breite Krempe sein Gesicht, aber dann blickte sie in zwei funkelnd grüne Augen,
deren Tiefen sie nicht ergründen konnte.
    Das Gesicht paßte zu den Händen.
Vom rechten Augen zog sich eine weiße messerdünne Narbe über die Wange. Die
Nase war krumm und wies etwas nach links. Auch am Hals hatte er eine große,
dunkelrote Narbe.
    Es tut mir
leid, hätte sie beinahe gesagt. Aber das wäre albern gewesen, denn es gab
nichts, wofür sie sich hätte entschuldigen müssen. Wenn überhaupt, dann wäre es
an ihm gewesen, sich zu entschuldigen, weil er sie ohne Erlaubnis angefaßt
hatte. Außerdem erdreistete er sich, mit ihr zu sprechen und gab ihr obendrein
auch noch spöttisch zu verstehen, daß sie sich für ein »hübsches junges
Fräulein« hielt.
    Aber da
hatte er sich bereits umgedreht und war weggegangen.
    Er ist
ganz schön eingebildet, dachte Emma und fühlte, wie sie diesen schwarzhaarigen
muskulösen Iren um sein Selbstvertrauen beneidete. Er ging geradewegs zu ihrem
Vetter Aloysius, der als Jagdherr inmitten der Meute auf dem Pferd saß und sich
lachend unterhielt. Die Hunde kläfften und sprangen vor Aufregung
durcheinander, aber alle wurden augenblicklich still, als der Mann sie
erreichte.
    Als ob
seine Gegenwart bereits Gehorsam forderte.
    Von diesem
Augenblick an verlor Emma ihn nicht mehr aus den Augen.
    Die Brüder
Alcott ritten über den Platz zu ihr herüber. Es gelang Emma, Geoffrey
anzulächeln und ihn auf harmlose Art zu necken. Sie errötete dabei nur leicht,
denn Geoffrey war der Mensch in ihrer Welt, in dessen Gegenwart sie sich immer
schon am wenigsten gehemmt fühlte. Dann konnte sie sogar Stuart sagen, wie sehr
sie sich darüber freute, ihn nach so langer Abwesenheit wiederzusehen. Aber
immer wieder richteten sich ihre Augen bewußt oder unbewußt auf jenen Mann.
    Er mußte
gespürt haben, daß sie ihn ansah, denn einmal drehte er sich um und
erwiderte den Blick. Emma wandte schnell den Kopf ab und schloß ihre Hand fest um
den Griff ihrer Reitgerte.
    Ihr Cousin
Aloysius setzte das Kupferhorn, das er um den Hals trug, an die Lippen und
blies weithin hallende Töne in den morgendlichen Himmel.
    Der Ire
schien ihrem Cousin offensichtlich als Pikör zu dienen. Sie sah, daß er inzwischen
auf einem kastanienbraunen Pferd saß und die Meute um sich sammelte. Es war
soweit. Die Jagdgesellschaft setzte sich langsam in Bewegung und ritt mit
wippenden Zylindern, knarrenden Sätteln unter dem Klappern der Pferdehufe
durch das Tor. Morgendlicher Aprilnebel lag bläulichkalt über dem Weg. An den
langen Grashalmen der Wiese hing glitzernder Rauhreif. Der Ire schlug mit der
Peitsche an seinen Stiefel und stürmte mit den Hunden davon.
    Und dann
konnte Emma ihn nicht mehr sehen.
    Der
Jagdclub von Bristol versammelte sich zur letzten Jagd der Saison stets auf der
alten Hope Farm.
    Das Anwesen
hatte früher einmal den Tremaynes gehört, doch
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