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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson
Autoren: Wagnis des Herzens
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eine Tochter hatte es geerbt,
die keinen guten Mann geheiratet hatte. Deshalb war die Farm nicht so, wie sie
es eigentlich hätte sein sollen. Die meisten Zwiebelfelder lagen brach und
waren von Unkraut überwuchert. Auch das Farmhaus wirkte etwas
heruntergekommen. Es war aus einem exotischen gelben marmorierten Stein gebaut,
der auf einem Sklavenschiff als Ballast aus dem tiefsten Afrika über das Meer
hierher gebracht worden war. Man erzählte sich, daß es in dem Haus Gespenster
gäbe, aber außer Fledermäusen im Speicher hatte man noch nie etwas Unheimliches
gesehen oder gehört.
    Gespenster hin oder her, die
Jagd fand an jedem Freitagmorgen von November bis zur ersten Aprilwoche statt.
Die Hope Farm und das umliegende Land hatten nicht mehr zu bieten als ein paar
alte Mühlen, Sumpf und Gestrüpp, sumpfige Tümpel und giftigen Efeu. Aber die
erste Jagd auf der Hope Farm war bereits vor über zweihundert Jahren
veranstaltet worden, und seitdem wiederholte sich dieses Ereignis im Winter
Jahr für Jahr an jedem Freitagmorgen.
    Alle
bedeutenden alten Familien von Bristol gehörten dem Club an. Die gute
Gesellschaft, wie sie sich selbst nannten, bestand aus den alten und sehr
reichen Familien. Es waren die Spinnereibesitzer und Schiffsbauer, die Bankiers
und die Rechtsanwälte mit all ihren Söhnen, Töchtern und Enkelkindern. Daran
änderte sich nichts – Generation um Generation.
    Vielleicht
kamen nicht alle an jedem Freitag im Winter zur Jagd, aber bei der
letzten Fuchsjagd der Saison war jeder, der etwas auf sich hielt, dabei. Das
war Tradition, und in Bristol gab niemand, weder die reichen noch die einfachen
Leute, eine Tradition kampflos auf.
    Auch der Eierlikör vor der
letzten Jagd war Tradition. Die Herren und Damen der Jagdgesellschaft saßen mit
glänzenden Stiefeln auf dem Rücken ihrer gestriegelten Pferde und prosteten
sich mit Eierlikör zu, der in Sterlingsilberbechern gereicht wurde, auf denen
fliehende Füchse eingraviert waren. Wenn der Jagdherr das Horn blies, ritt die
Jagdgesellschaft durch das Tor bis dorthin, wo der Weg die erste Kurve
beschrieb. Jetzt wurden die leeren Becher unter lautem Jubel über die Weißdornhecke
geworfen.
    Diese
Geste sollte den Reichtum und die ausgelassene Extravaganz der Gesellschaft
unter Beweis stellen. Aber alle wußten, daß die Dienstboten strikte Anweisung
hatten, jeden einzelnen Silberbecher hinter der Hecke für das nächste Jahr
wieder aufzusammeln.
    Der
Eierlikör in den Bechern der Herren war natürlich mit Whisky gemischt. Aber an
diesem Morgen hatte Stuart Alcott den Becher mit Eierlikör zurückgewiesen und
trank den Whisky pur direkt aus der Flasche – ebenfalls silbern, aber dieses Silber
war fleckig und verbeult.
    Es gehörte
sich nicht, die eigene Whiskyflasche zur Jagd mitzubringen. Deshalb runzelten
alle die Stirn und warfen Stuart mißbilligende Blicke zu. Das wiederum ärgerte
seinen Bruder Geoffrey. Geoffrey Alcott konnte den Gedanken nicht ertragen, daß
jemand, der den Namen seiner Familie trug, bei etwas Unschicklichem ertappt
wurde.
    Als sie nebeneinander durch das
Tor ritten, erwiderte Stuart spöttisch den Blick seines Bruders und hob die
Flasche in Richtung Aloysius Carter. Der
Jagdherr und gegenwärtige Besitzer der Hope Farm ritt voran. Er schwankte im
Sattel wie ein leckgeschlagener Schleppdampfer. Aloysius war so dick, daß er
den ganzen Sattel von vorne bis hinten ausfüllte. Seit über dreißig Jahren war
er dem Alkohol verfallen.
    »Sieh ihn dir an!« rief Stuart.
»Er ist stockbetrunken. Trotzdem wette ich, daß er jeden Zaun und jedes
Hindernis nimmt und uns weit hinter sich läßt.«
    Geoffrey
seufzte über seinen unbelehrbaren Bruder und trank einen Schluck aus seinem
Silberbecher. Die süße Wärme tröstete ihn. Wie die Damen hatte auch er sich nur
Eierlikör einschenken lassen. Geoffrey trank äußerst selten Alkohol, und er würde
bestimmt nicht wie ein Verrückter betrunken über die Felder galoppieren und
über die Hecken springen.
    Als er
wieder den Kopf hob, stellte er fest, daß sein Bruder ihn anstarrte. Stuarts
Augen glänzten vom Whisky, und höhnisches Lachen zuckte um seine Mundwinkel.
    »Alle
werden heute wie der Teufel reiten. Es ist jedenfalls kalt genug«, erwiderte
Geoffrey, dem nichts Besseres einfiel. Aber kaum hatte er das gesagt, stieg ihm
die Röte ins Gesicht. Selbst nach all den Jahren gelang es seinem Bruder immer
noch, ihm das Gefühl zu geben, er sei ein Dummkopf.
    »Verdammt!
Es ist so kalt,
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