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Payback

Titel: Payback
Autoren: Frank Schirrmacher
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lernen als statistisch abfragbare Fakten. Wir aber beharren auf den Lerninhalten des letzten Jahrhunderts und prüfen gleichzeitig aber die Qualität von Schülern und Studenten mit den statistischen Mitteln des 21. Jahrhunderts. Höheres Lernen in Deutschland, gekennzeichnet durch Fehlentwicklungen wie den »Bologna-Prozess«, gibt sich gern den Anschein des Bildungsbürgerlichen, ist aber in Wahrheit nichts anderes als die Zwangsverschickung des Geistes in die Vergangenheit. Wir gehen mit der Erfahrung mit dem Wissen von heute um und muten uns und der nachwachsenden Generation zu, das Telefonbuch zu lesen, auswendig zu lernen und gleichzeitig zu benutzen - und das in Zeiten, wo es selbst Telefonbücher gar nicht mehr gibt.
    Umgekehrt kann der Computer nicht der letzte Richter über Informationen, menschliche Denkprozesse oder Leistungsnachweise sein. Je stärker die Computer in unsere Sprache und in unsere Kommunikation eingreifen, desto dringender wird eine Erziehung, die zeigt, dass die wertvollsten menschlichen Verhaltensweisen durch Nicht-Vorausberechenbarkeit gekennzeichnet sind.
    Man darf nie vergessen, dass Algorithmen Garantien sind. Algorithmen erreichen irgendwann immer das Ziel, das sie anstreben. Das entspricht in gewisser Weise der kapitalistischen Lebensphilosophie des »wer was kann, setzt sich durch«, aber jeder weiß auch, dass sie im wirklichen Leben keine Lebensphilosophie sondern oft eine Lebenslüge ist. Und dass es im wirklichen Leben keine Garantie gibt. Je stärker Menschen ihre gesamte kommunikative Umwelt von Mathematik kontrollieren lassen, desto geringer werden die Abwehrkräfte gegen solche Ideologien. Aber Wissen, das zeigen die Arbeiten von Michael Wesch, erlangt man nur, wenn man sich selbst als nicht berechenbares Wesen wahrnimmt. Menschen, die die Welt und sich selbst nur noch als Bestandteile algorithmischer Prozesse sehen, wehren sich nicht mehr gegen Überwachung, sei es durch Kameras, sei es durch eine Software, die jede ihrer Lebensäußerungen bewertet und hochrechnet. Schulen müssen Computer als Instrumente integrieren, die Schüler nicht nur benutzen, sondern über die sie nachdenken müssen. Sie müssen erkennen lernen, dass die verführerische Sprache der Algorithmen nur Instrumente sind, dafür da, um Menschen Denken und Kreativität zu ermöglichen.
    Denn das, worum es beim Erfassen von Ich, Welt und Weltall wirklich gehe, so hat es hat der große Physiker Roger Penrose in einer Antwort auf seine Kritiker geschrieben, »ist nicht durch Computer zu berechnen. Es ist etwas
vollkommen
anderes.« 166 Der Computer kann keinen einzigen kreativen Akt berechnen, voraussagen oder erklären. Kein Algorithmus erklärt Mozart oder Picasso oder auch nur den Geistesblitz den irgendein Schüler irgendwo auf der Welt hat. Die Bildung der Zukunft lehrt Computer zu nutzen, um durch den Kontakt mit ihnen das zu lehren, was nur Menschen können.

GLASPERLENSPIEL
    ie Informationsexplosion steht unmittelbar vor ihrer nächsten Zündung. Das Echtzeit-Internet wird in den Alltag jedes Einzelnen eine unendliche Anzahl von Signalen senden, die unser Verhältnis zur Zeit verändern werden. Handys und mobile Geräte werden die Antreiber dieser Entwicklung sein. Cloud-Computing wird die Daten, die Programme und Betriebssysteme nicht mehr auf den einzelnen Geräten speichern, sondern in einem Archipel der Wolken, der gleichsam über uns schwebt und auf das jedes Gerät, von der Ampelschaltung bis zum Großrechner, jederzeit Zugriff hat. Wir werden zwei Hirne haben, eines im Kopf und eines in den Wolken, eines auf Erden und eines im Himmel.
    »Wir würden tatsächlich in Informationen ertrinken«, sagt Eric Schmidt, der Chef von Google, »wenn wir im Echtzeit-Internet die Suche traditionell betreiben wollten. Suche wird sich jedoch immer mehr zu einer vorhersagenden Suche entwickeln.Wir werden sagen können, ob das Konzert, das Sie heute Abend besuchen wollen, gut oder schlecht ist, weil wir durchsuchen können, wie die Menschen darüber im Internet reden. Die Suche wird Ihnen eine Empfehlung geben können, wann Sie losfahren sollten, weil wir über das Internet erfahren, wie viele Fahrzeuge zu dem Konzert unterwegs sind. Wir werden schon während des Konzertes sagen können, ob es hält, was sich die Leute davon versprochen haben, weil immer mehr Leute während eines Konzertes twittern oder kommunizieren.
    Und wir werden nach dem Konzert sagen können, wie das Ergebnis war und ob sich die
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